"She's got the Look": Lena Philipsson begeistert mit Roxette in München
Dass eine Band ihre Frontfrau oder ihren Frontmann, meist das charismatische Aushängeschild, durch Tod verliert und sich alsdann für eine Nachfolgeperson entscheidet, ist in der Geschichte der Rockmusik kein neues Phänomen. Bei AC/DC hat es hervorragend geklappt, bei Queen war es zumindest ein passabler Erfolg, Joy Division änderten kurzerhand Bandname und Stil und starteten neu durch. Nun wagt auch Roxette diesen Schritt und treffen mit Lena Philipsson einen absoluten Volltreffer.
Lena Philipsson hat eine enorme Präsenz
Die Popsängerin war in den 1980ern ein schwedischer Star, siegte bei vielen Wettbewerben, hatte einige Nummer-Eins-Hits und moderierte sogar mal das Finale des schwedischen ESC-Vorentscheids. Als neue Sängerin von Roxette gibt sie so richtig Gas, bleibt dabei aber vornehm und angenehm unprätentiös. Sie verkörpert mit ihrer markanten, ganz eigenen, wunderbaren Stimme genau die richtige Mischung aus Demut vor den früheren Erfolgen und einer distanzierten Leichtigkeit und reiht sich damit in den allgemein euphorischen Zustand der Show ein: Alle haben Bock: Der Bandgründer Per Gessle, die energiegeladene Power-Band, das tanzende und mitsingende Publikum, ja, sogar die Securitys grooven und klatschen dionysisch mit. Roxette führen das Erbe der im Dezember 2019 im Alter von 61 Jahren verstorbenen Marie Fredriksson fabelhaft weiter, die aktuelle Tour gastierte bereits in Südafrika und Australien.

Lena Philipsson entwickelt durch ihre enorme Präsenz eine ungeheure Strahlkraft, räumt eventuelle Skepsis im Handumdrehen aus, ist die pure Show und die schiere Lebensfreude, jede anwesenden Menschen heißt sie in der Roxette-Familie wärmstens willkommen. In einem leisen, andächtigen Moment schickt sie Grüße nach oben, deutet gen Himmel und widmet "It must have been love" ihrer legendären Vorgängerin.

Große Spielfreude in der Tollwood-Sauna
Auch Per wirkt glücklich und gelöst, dass das besondere Geschenk seiner eingängigen Songs weiterleben darf. Die entstandene Lücke ist würdevoll ausgefüllt. Für viele war diese Gruppe Teil der Jugend, die nun wieder auflebt.
Und auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Vor zehn Jahren stimmte E-Gitarrist Christoffer Lundquist lächelnd "Ein Prosit der Gemütlichkeit" an, diesmal würdigt er "In München steht ein Hofbräuhaus" und der gesamte Saal ruft ausgelassen: "Oans, zwoa, xuffa!", bevor das würdevolle Finale beginnt mit den Welthits "Listen to your Heart" und "The Look" und dem Kinderreim: "Sie läuft wie ein Kerl, schlägt zu wie ein Hammer, sie ist eine raffinierte junge Schwindlerin, sie gibt nie auf und schmeckt wie ein Regentropfen. Sie hat den Look."

Warum es die Verantwortlichen vom Tollwood nach Jahrzehnten Erfahrung noch immer nicht hinbekommen, eine vernünftige Lüftung in die Musik-Arena einzubauen, weiß der Kuckuck. Schwer schnaufend steht ein nostalgisches, kümmerlich kleines Gerät neben dem Eingang und pumpt träge etwas heißen Dampf aus dem Inneren der brütend siedenden Aula. Eiswürfel in der Weinschorle schmelzen im Takt des Drummers. Doch die Chemie dieses Abends stimmt dermaßen perfekt, dass jene drückende Stickigkeit einfach weggefeiert wird.
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