Leitmayr und Batic vor dem Abschied: "Tatort: Das Verlangen" – die AZ-Kritik
Dass es hinter den Kulissen des Theaters nicht ganz so lustig zugeht, wie manche Backstage-Comedy glauben macht, gehört seit den #MeToo-Debatten zum Allgemeinwissen. Zu den übergriffigen Kollegen kommt noch die feudale Allmacht der Intendantinnen und Intendanten, die Arbeitsverträge ihres künstlerischen Personals jederzeit nach Lust und Laune kündigen können, weshalb Theater als letzte Monarchien in einer sonst demokratisierten Welt gelten.
Für Münchner Theaterbesucher hat der "Tatort: Verlangen" einen besonderen Reiz: Gedreht wurde im Residenztheater. Das hat im Krimi – im Unterschied zur Wirklichkeit – eine Intendantin. Die betont, dass das Theater eine einzige große Familie sei. Aber man sieht auch, wie sie eine Schauspielerin kündigt, die zwar großartig sei, aber leider nicht in ihr Ensemble passe.
Die Intendantin denkt bei ihrem Familiengerede an den internen Zusammenhalt, Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) wittern eher einen Korpsgeist, der interne Missstände nicht nach außen dringen lässt.
Zu viel Theater-Theater
Er habe die ganze Zeit beruflich mit Leuten zu tun, die ihm etwas vorspielen, sagt Leitmayr einmal. Deshalb möge er keine Schauspieler, was man aber nicht persönlich nehmen solle.

Diesem Misstrauen schließt sich der Zuschauer gerne an. Denn die allzu vielen Verdächtigen dieser Folge verwirren, was das Interesse an der Geschichte erkalten lässt. Dazu kommt, dass es die Autoren Holger Joos und Norbert Baumgarten ein wenig mit den Diskursen über die Schauspielerei übertrieben haben: Der Mord geschieht während einer Vorstellung von Anton Tschechows "Die Möwe". Zu sehen sind in dem Krimi nur die Proben zum "Theater auf dem Theater" in dem Stück. Das ist etwas zu viel der Meta-Ebene und womöglich rätselhaft für alle, die "Die Möwe" nicht kennen.
Die beiden werden uns fehlen
Von allzu viel Kunst-Kunst genervt wendet man sich eher der im echten Leben am Resi engagierten Liliane Amuat zu, die hier eine undurchsichtige Ankleiderin spielt. Und dem eher heiteren Ping-Pong der Kommissare, die in der woken Theaterkantine mit einer Tofu-Wurst vorlieb nehmen müssen. Sie schnaufen, wenn sie mehrmals zu einer Probebühne hinauf müssen, die sich auch im echten Resi auf dem Dachboden über dem Cuvilliéstheater befindet. Und auch für ihren Nachfolger Kalli (Ferdinand Hofer) haben die Autoren lobende Worte ins Drehbuch der drittletzten Folge von Batic und Leitmayr geschrieben.

Das Finale findet wie bei Agatha Christie auf der Bühne mit allen Verdächtigen statt. Wer es wirklich war, vergisst man sofort. Umso stärker ist das Schlussbild. Da schneit es auf dem Max-Joseph-Platz auf Batic und Leitmayr am Ende Styroporflocken aus einem abgespielten Bühnenbild, das zur Entsorgung abtransportiert wird. Eine dick aufgetragene Abschiedsmetapher. Aber die beiden werden uns wirklich fehlen.
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