Leise gebrüllt, Löwe
Sibylle Lewitscharoff ist in den letzten Jahren zur fleißigsten Sammlerin deutscher Literaturpreise avanciert. Die 1954 in Stuttgart geborene Autorin eroberte die Juryherzen dabei mit eigenwilligem Stil und überraschender Themenwahl. In ihrem neuen Roman „Blumenberg” entwirft sie „eine biografische Fantasie über den berühmten deutschen Philosophen, die die herkömmlichen Pfade realistischen Erzählens mit provokantem Übermut verlässt”, wie gestern die Jury des mit 30000 Euro dotierten Wilhelm-Raabe-Literaturpreis gratulierte. Der Deutsche Buchpreis allerdings fehlt Sibylle Lewitscharoff noch – zumindest bis Montag.
In ihrem neuen Roman konfrontiert sie den 1996 gestorbenen Münsteraner Philosophen mit einer Löwenerscheinung, die ihn im Buch bis zu seinem Tod begleitet. Nichts ist zufällig an diesem Werk, Blumenberg sammelte tatsächlich Löwenbildchen – und -geschichten in seinen späten Jahren. Vier Studentenleben verwebt die Autorin schicksalhaft mit dem Professor, wovon dieser, weltentrückt und arbeitswütig, naturgemäß wenig mitbekommt. „Sein Produktionseifer, der enorme Fleiß, der ihn immer ausgezeichnet hatte, all das war ein Kampf gegen die Leere. Ein Kampf, der nicht zu gewinnen war, wie er insgeheim wußte”, schreibt Lewitscharoff. Die Löwenerscheinung ist Blumenberg immerhin ein Trost, zumal sie für alle anderen (mit Ausnahme einer Nonne) unsichtbar bleibt. Wieviel geborgte Gedankenwelt Lewitscharoff in dieser liebevollen und skurrilen Widmung über den stets literarisch philosophierenden Blumenberg versteckt hat, mag noch Stoff für Seminararbeiten liefern.
Für den Leser aber ist weder der Löwe, noch der sich häufig einmischende Erzähler entscheidend, sondern allein die Tatsache, dass Blumenberg und seine Studenten seltsam blutleer und papieren blass bleiben.
Sibylle Lewitscharoff: „Blumenberg” (Suhrkamp Verlag, 220 Seiten, 21.90 Euro)