Lehrjahre und Meisterschaft des Jimi Hendrix

„West Coast Seattle Boy“ – die aus vier CDs und einer DVD bestehende „Jimi Hendrix Anthology“ bietet tatsächlich Unveröffentlichtes und hört sich wie ein Entwicklungsroman des Gitarristen
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„West Coast Seattle Boy“ – die aus vier CDs und einer DVD bestehende „Jimi Hendrix Anthology“ bietet tatsächlich Unveröffentlichtes und hört sich wie ein Entwicklungsroman des Gitarristen

I Don’t Know What You Got But Its Got Me“ – der auftoupierte Sahnebeutel des Rock’n’Roll, Little Richard, ist 1965 der reine Soulman. Im Hintergrund lässt einer die Gitarrenlicks fließen, der zwei Jahre später seine Gitarre anzünden wird – und aufsteigt zur überirdischen Figur des Saiten-Soul: Jimi Hendrix. „West Coast Seattle Boy“ heißt die vier CDs und eine Doku-DVD umfassende „Jimi Hendrix Anthology“, die über weite Strecken Unveröffentlichtes bietet.

Natürlich darf man auch hier die Frage stellen, ob die Hendrix-Erben nicht die Reste zusammenkratzen. Als Einstieg in das Ouvre bietet sich die Anthology nicht an, aber nach dem Kauf der regulären Alben, sollte man seinen Spaß haben. Der Drang zur umfassenden Archivverwertung ist das eine, aber hier überrascht die soundtechnische Aufarbeitung und Dramaturgie: Der Hörer folgt Jimi durch die Lehrzeit zur Explosion als Solokünstler und in die Phase der Neuaufstellung Anfang des Jahres 1970, die nie ganz abgeschlossen wurde. Am Morgen des 18. September fand man ihn tot im Londoner Samarkand Hotel.

Dieser Typ will zuviel

In der Frühzeit liegt der Quell. Nicht nur bei „Move Over And Let me Dance“ von den Isley Brothers sollte man der Gruppe zu einem anderen Gitarristen raten. Dieser Typ nämlich will zu viel. Der muss Solokünstler werden, oder untergehen. Aber gerade in diesem Song erkennt man Grundsteine für „Love or Confusion“ oder „Foxy Lady“. Später ist Hendrix ein Bastler zum laufenden Band. Die Art, wie er 1968 in seinem Hotelzimmer „Angel“ nur für sich einspielt, könnte menschlich gültiger und größer sein als das endgültige Ergebnis.

Diese Fülle ist für Entdecker: „Messenger“, ein starkes Teil mit Walking-Bass-Riff, ohne Vocals. Ein übermütig, irr phrasierter „Hounddog Blues“. „Message To Love“ – später zu hören auf dem Live-Album „Band of Gypsys“ – wird hier mit Backgroundsängerinnen zum Funk-Gospel-Sex. „Fire“ und „Stone Free“ knallen am 31. Dezember im Fillmore East mit dem Schlagzeug-Animal Buddy Miles aus den Boxen wie Maschinengewehrsperrfeuer. Dieses Konzert war es auch, dass auszugsweise auf „Band of Gypsys“ verewigt wurde.

Und wer noch einen Hit braucht, bitte: „Everlasting First“. Hier singt der Psychedelic-Meister mit Drogenantrieb Arthur Lee von Love und klopft am Rock-Himmel an. In dem darf auch er mittlerweile mit Jimi auf ewig jammen.

Christian Jooß

„West Coast Seattle Boy. The Jimi Hendrix Anthology (Sony Music)

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