Leckerbissen für akustische Feinschmecker

Die drei besten Orchester der Welt aus Amsterdam, Wien und Berlin geballt am letzten Wochenende der Salzburger Festspiele
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Die drei besten Orchester der Welt aus Amsterdam, Wien und Berlin geballt am letzten Wochenende der Salzburger Festspiele

Die Berliner Philharmoniker schauen seit Karajans Zeiten am letzten Festspiel-Wochenende in Salzburg vorbei. Die Wiener sind sowieso da. Weil wie letztes Jahr auch das Concertgebouw-Orchester Amsterdam gastierte, war innerhalb von drei Tagen wieder das Trio der weltbesten Klangkörper beisammen - wenn man jenem Ranking der Zeitschrift "Grammophone" trauen will, in dem das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Platz sechs erreichte und die Münchner Philharmoniker erst nicht vorkamen.

Das reinigt einem die Ohren von manchem Gebläse über die Weltklasse im schönen München. Kein hiesiges Orchester ist so ausgewogen in allen Gruppen besetzt wie die von Mariss Jansons geleiteten Amsterdamer. Das Hornsolo am Ende von Strawinskys "Feuervogel"-Suite war zarter nicht vorstellbar. Dann folgte eine atemberaubende Schlusssteigerung ohne jenes protzige Muskelspiel, das beim BR-Symphonieorchester unter dem gleichen Chefdirigenten bisweilen nervt.

Klangkultur

Jansons zeigte sich mit klassischer Moderne von seiner besten Seite. Die mit zehn Kontrabässen gewaltige Streicherbesetzung in Bela Bartoks "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" erzeugte keine sämig romantische Sosse, sondern bewirkte ein ungewohntes Geschmackserlebnis fahler Farben ohne den unangenehm stählernen Beigeschmack, der ungemischten Streichern sonst zu eigen ist.

Mit beinahe russischer Knorrigkeit setzte der Bassist Ferruccio Furlanetto bei Mussorgskys "Liedern und Tänzen des Todes" in Schostakowitschs Instrumentierung noch ein vergiftetes Sahnehäubchen drauf. Antonin Dvoraks von Jansons als Zugabe geliebter "Slawische Tanz" Nr. 7 demonstrierte die Tugenden des Dirigenten vielleicht am besten: Er lässt seinen Musikern eine gewisse Freiheit, schärft in entscheidenden Momenten aber stets motorisch und rhythmisch zu.

Der gelassene Moderator

Im Vergleich mit Bernard Haitink wirkt der freundliche Lette allerdings wie ein Zuchtmeister. Bei Bruckners Fünfter liess Haitink die Musik mehr geschehen, als gestaltend einzugreifen. Seine Erfahrung und die besondere Klangkultur der Wiener Philharmoniker brachten den ganzen Bruckner-Kosmos aus hochfahrenden Gesten, katholischer Feierlichkeit, verklemmten Gefühlen und oberösterreichischer Bauernderbheit zum Klingen.

Dass sich die Holzbläser im Scherzo ein paar Mezzoforte-Lauheiten erlaubten, spielte keine Rolle. Bei diesem Orchester betört jede Gruppe durch eine Eigenfarbe. Das gilt besonders für das wundervoll auftrumpfende Blech mit seinen strahlenden Trompeten, der leicht verhangenen Horn-Gruppe. Wenn am Ende die Themen im brausenden Fortissimo aufgetürmt wurden, mündete das in einen gewaltigen katholischen Orgasmus.

Der geniale Verkäufer

Weniger sinnenfreudig gaben sich die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle. Der charismatische Sir vereinte die allerletzte Romantik der "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss mit Orchesterstücken der Schönberg-Schule. Mit solchem Kassengift, das in München niemand wagen würde, gastiert er übrigens nächste Woche bei den Londoner Proms.

Leider tötete die Makellosigkeit des Orchesters und die Kälte der Sopranistin Karita Mattila alles Leben. Schönberg verhalft die gleiche Haltung jedoch zur Auferstehung: Die auch nach 100 Jahren noch herbe Schönheit dieser Musik erblüht erst, wenn sie nicht wie üblich verwaschen, sondern mit höchster Deutlichkeit aufgeführt wird. Rattle nahm eine kleine Umstellung zum Anlass, Stücke von Schönberg, Webern und Berg als "Mahlers imaginäre Elfte Symphonie" anzukündigen: Der Mann ist nicht nur ein grosser Dirigent, sondern auch ein genialer Verkäufer.

So in Salzburg gestärkt, steigt man leicht wieder in die Ebenen Münchner Konzertalltags hinab. Jansons gehört da zum Inventar, Haitink gastiert mit Mahler und Bruckner beim Symphonieorchester des BR, bei dem Rattle im September mit Schumanns "Paradies und die Peri" debütiert. Uns stehen Dauer-Festspiele bevor.

Robert Braunmüller

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