Lauter kleine Kämpfernaturen

Dieter Dorn inszeniert im Resi „Leichtes Spiel“ von Botho Strauß . Cornelia Froboess spricht über ihre Strauß-Erfahrungen
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Dieter Dorn inszeniert im Resi „Leichtes Spiel“ von Botho Strauß . Cornelia Froboess spricht über ihre Strauß-Erfahrungen

Sie heißen Kattrin, Katja, Käthchen, Kitty, Kathinka – eine sogar explizit Katharina Minola wie Shakespeares Widerspenstige. Ein bisschen widerspenstig sind alle neun Damen, die Botho Strauß in seinem neuen Episoden-Stück „Leichtes Spiel. Neun Personen einer Frau“ einzeln auf die Bühne schickt. Der Strauß-Spezialist Dieter Dorn inszeniert die Uraufführung im Residenz Theater, heute ist Premiere. Den großen Schlussmonolog der Katharinen spielt Cornelia Froboess, die vor 30 Jahren an den Kammerspielen die gefeierte Protagonistin Lotte in Botho Strauß’ „Groß und klein“ war.

AZ: Frau Froboess, dies ist Ihr sechstes Stück von Botho Strauß. Sie haben auch in den Dorn-Inszenierungen „Der Park“, „Die Besucher“ und „Sieben Türen“ gespielt, zuletzt 2005 die Insa in der Uraufführung „Die Eine und die Andere“ am Resi.

CORNELIA FROBOESS: Mit den Stücken wurden mir die Straußschen Welten immer vertrauter. Ich kenne sein Werk ziemlich gut, auch seine Prosa. Beim Lesen fremdele ich nicht, das ist ein Vorteil. Trotzdem ist es jedes Mal ein ganz harter Brocken. Er macht’s einem nicht leicht.

Was ist das Schwierige?

In den Strauß-Stücken bleibt den Figuren keine Zeit, um Atmosphäre zu schaffen. Die Dialoge, auch die Monologe, sind wie ein Ping Pong, sie müssen einen Rhythmus haben. Balsam für die Seele mit Teetrinken und so wie bei Tschechow, das gibt’s nicht. Keine Zeit. Auch keine Zeit, um Biografien aufzuzeigen. Die muss man fertig erfunden im Rucksack haben. Es gibt keine Szene, die langsam beginnt oder sich einspielt: Die Leute kommen raus und reden los. Das ist immer voller Emotionen. Manchmal ist es geradezu artistisch, was man zu leisten hat an Denkakrobatik und Sprachvirtuosität. Aber das ist wahnsinnig reizvoll.

Sind die neun Frauen in „Leichtes Spiel“ Facetten einer Person? Müssen die Darstellerinnen die vorhergehenden Szenen mitdenken?

Wir sehen das so, dass wir alle sind – jede Schauspielerin ist jede Figur. Aber für den Schlussmonolog nehme ich in Anspruch, dass der nur mit mir zu tun hat. Mich interessiert, ob die Zuschauer zwischen den Frauen eine Verbindung sehen. Ich weiß nicht, ob das notwendig ist. Sie sind so unterschiedlich, jede ist eine eigenständige Behauptung.

Wie haben Sie sich damals bei Ihrer ersten Strauß-Rolle in „Groß und klein“ der Welt von Lotte angenähert?

Ich bin da vollkommen unvoreingenommen rangegangen. Diese Person hat mich einfach fasziniert und gerührt. Jemand, der so allein kämpft, niemanden an seiner Seite hat, dazu die Flucht in die Religiosität – das fand ich ganz aufregend. Die Mädels bei Strauß sind ja immer so kleine Kämpfernaturen, die unheimlich ackern für Anerkennung und Geliebtwerden. Alle Rollen, die ich gespielt habe, sind Stehaufmännchen, die sich immer wieder rausreißen, sich nicht hängen lassen, aber eigentlich auch ein bisschen armselig. Bei Strauß sind die Frauen immer so tapfer. Überhaupt nicht emanzipiert, sondern immer in großer Abhängigkeit, etwa durch Liebesentzug. Aber bei allem Leid und den größten Katastrophen ist auch viel Komik und Humor dabei. Ich muss oft sehr lachen über die Strauß-Personen, die ich spiele, weil sie immer einen kleinen Hau haben.

Sehen Sie Strauß als Seismographen des Zeitgeists?

Ja, er beobachtet haarscharf und hört genau hin. Er schaut den Leuten aufs Maul und entwickelt dann eine eigene Kunstsprache dafür. Die Sprache hebt ab. Deswegen muss man diese Kunstfiguren so bodenständig machen, dass nicht nur kleine Sträuße unterwegs sind, sondern Typen, mit denen das Publikum sich identifizieren kann. Sonst kann ich’s auch lesen. Was nutzen mir diese blitzgescheiten Texte, wenn keine Person dahinter steht, die Emotionen überträgt? Egal, ob Strauß, Bernhard oder Kleist: Man muss es schaffen, dass diese Dichtung aus einem selbst herauskommt, als habe man sie erfunden.

Gabriella Lorenz

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