Las Vegas im Inder-Net
Nach „Afrika! Afrika!“ knöpft sich Produzent Matthias Hoffmann mit „India“ den nächsten Erdteil vor: Bei der Weltpremiere in Frankfurt überzeugt die große Show, weniger die Artistik
Im bitterkalten Frankfurt am Main, an der Mainzer Landstraße, wo die Inder im Normalleben für Frisörläden und weniger für Unterhaltung zuständig sind, wo eine gewisse Verona Pooth mangels Konkurrenz Promi-Star eines Weltpremiere-Abends werden kann, da knüpft Matthias Hoffmann, der schillerndste unter den deutschen Produzenten, sein persönliches Inder-Net. Nach „Afrika! Afrika!“ schickt er „India“ auf große Reise, eine Sechs-Millionen-Produktion im 2000- Mann-Zelt. Nicht mehr André Heller ist nun sein Partner (es gibt aber, wie Hoffmann betont, keinen Streit mehr zwischen den beiden), sondern Regisseur Franco Dragone, ein Experte für amerikakompatible Shows im Breitwand-Format. „India“, sagt Hoffmann, „ist Las Vegas“.
Viel Wumms
Unter den Köpfen goldener Elefanten hindurch schreitet man ins üppig dekorierte Reich der Räucherstäbchen. Es ist eine Welt der begnadeten Körper, zweifellos, die es aber mehr auf Sexyness denn auf Hochleistungsturnen anlegen. Ihre Artistik (am Seil, auf Stelzen, auf Chinesischem Mast) ist nicht umwerfend, die Inszenierung des Ganzen aber schon. Teilweise wechseln die Nummern der zwei Stunden langen und vom indischen Choreografen-Star Shiamak Davar designten Produktion im 30-Sekunden-Takt. Die Musik ist eher am Disco-Wumms denn am Sitar-Klang orientiert, sucht aber andeutungsweise via Beatles („Norwegian Wood“, „While My Guitar Gently Weeps“) nach west-östlichen Schnittmengen. Dazu kommen Schattenspiele, Showkämpfe, kunstvolle High-Tech-Projektionen für den Hintergrund und: Farben, Farben, Farben.
Mit Indien hat „India“ eher noch weniger zu tun als Afrika mit „Afrika! Afrika!“, aber das macht nichts. Die Show lebt vom Spaß an der Geschwindigkeit – und sie sucht auf eine fast zu ernste, kühle Weise nach Poesie. Erst als sich am Ende alle Tänzerinnen und Tänzer am äußersten Bühnenrand, nur Zentimeter vor den ersten Reihen des jubelnden Publikums aufstellen, blickt man in indische Gesichter, die keine amerikanische Maske mehr sind.
Michael Grill
In München vom 29.4.bis 20.6.; Vorverkauf ab Anfang Januar
- Themen:
- The Beatles
- Verona Pooth