Kurt Cobain mit Stradivari

Frech, mutig, unbekümmert: David Garrett erfreute sein Publikum mit Klassik und Pop im ausverkauften Zenith
von  Abendzeitung

Frech, mutig, unbekümmert: David Garrett erfreute sein Publikum mit Klassik und Pop im ausverkauften Zenith

Das wird eine ganz ungezwungene Veranstaltung hier“, verkündet der Mann am Mikrofon gleich zu Beginn. Tatsächlich deutet einiges darauf hin: Sein lässiges Outfit mit schwarzer Kapuzenjacke und tief sitzenden Jeans, die in groben Stiefeln stecken. Die kleine Band, die ziemlich rockt. Allerdings sind da noch die Stradivari in seiner Hand und ein Konzertflügel an seiner Seite. Hier wird also durchaus ernsthaft klassisch musiziert. Aber auch Filmmusik von Ennio Morricone und „Nothing Else Matters“ erfreuen die 2600 Zuhörer in den Stuhlreihen des ausverkauften Zeniths.

Ein Abend mit David Garrett ist nicht nur musikalisch pures Crossover. Einerseits wirkt der Tourauftakt auf sympathische Weise improvisiert, wenn der Geiger bei den Ansagen mal wieder den Faden verliert. Irgendwann kündigt er eine Umkleidepause an, kommt aber kurz darauf unverändert zurück, weil sein Pianist den Garderobenschlüssel hat. Der Rest ist hochprofessionell. Das Konzert erklärt jedenfalls, warum der New Yorker aus Aachen seit vergangenem Herbst zum Publikumsliebling aufgestiegen ist.

Natürlich ist seine Virtuosität Voraussetzung dafür. Dann ist da auch noch sein Alter: 27. Ziemlich jung, um sich Yehudi Menuhin zum Fan gemacht zu haben und die Royal Albert Hall als „mein Wohnzimmer“ zu bezeichnen. Dass Garrett während des Studiums für Armani gemodelt hat und aussieht wie ein drogenfreier Kurt Cobain, ist ganz sicher ebenfalls kein Hindernis in Sachen Publikumserfolg.

Mit Schlagzeug, Gitarre und Piano verleiht er unter anderem Vivaldi mehr Rhythmus. Die Arrangements sind frech, mutig, unbekümmert – genau wie seine Spielweise. Ein bisschen Musikpädagogik kommt hinzu, als er Debussy ankündigt: „Das klingt jetzt ein bisschen schief.“ Dass es darüber hinaus bei den tiefen Tönen recht blechern schepperte, war eben so wenig ihm zuzuschreiben wie die Dissonanzen: Das Zenith mit seiner legendär miesen Akustik ist einfach kein guter Ort für Konzerte, bei denen es auf die Details ankommt.

Glücklicherweise spielt Garrett sein Zusatzkonzert am 18. Mai in der Philharmonie. Wenn seine Beliebtheitskurve weiterhin so steil ansteigt, kann er für nächstes Jahr die Olympiahalle ins Auge fassen.

Julia Bähr

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