Wo die wilden Egos wohnen

Ein ambitioniertes Geschenk: Zum 150. Geburtstag des Hausherrn zeigt die Villa Stuck eine hoch informative Ausstellung über 20 Künstlerhäuser – von John Soane über Claude Monet bis Max Ernst
Christa Sigg |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Der Ort selbst, ihr Gehäuse, ist zugleich der beste Teil der Ausstellung – und ihr fulminanter Schlusspunkt. Aber was sollte die reale, sinnlich erlebbare Villa Franz von Stucks auch übertreffen in dieser durchaus spannenden Zusammenstellung ferner oder vergangener Künstlerhäuser?

Allein, dem Künstlerfürsten und Hausherren hätte diese internationale Suite an Domizilen mehr oder weniger prominenter Kollegen ganz sicher behagt, zum 150. Geburtstag ist das ein ansehnliches wie ambitioniertes Präsent: 20 weitere Gesamtkunstwerke aus Europa und Amerika von 1800 bis 1948 werden in den Räumen Stucks unter dem vielsagenden Titel "Im Tempel des Ich" vorgestellt.

Und tatsächlich offenbart sich schnell ein "Zeige mir dein Haus, und ich erkenne deine Kunst". Sofern das entsprechende Kleingeld in die Kassen floss. Nicht nur der britische Architekt John Soane, berühmt durch den Bau der Bank of England, drehte ab 1792 mächtig auf, um seine Vorstellungen zu realisieren. In diesem Fall war's ein klassizistischer Museumstraum, der sich gleich über mehrere Häuser erstreckte und eine potente Sammlung antiker und mittelalterlicher Skulpturen beherbergen sollte.

In Morris' "Red House" war Teamwork angesagt

In William Morris' berühmtem "Red House" war dafür Teamwork gefragt, die Präraffaeliten-Freunde Edward Burne-Jones und Dante Gabriel Rossetti mussten oder durften ran an Möbel und Malereien, die Damen des Hauses lieferten edle Stickereien. Und nicht nur der Mythos von König Arthur wies den Weg in diese Camelot-Vision von alten, besseren Zeiten.
Überhaupt schweifen die Wünsche oft in die Ferne. Lord Leighton, der Maler elegant-schönlinig antikisierenden Personals, ließ sein eh schon minutiös durchgestaltetes Haus 1877 um eine spektakuläre arabische Halle erweitern. Die auf Damaskus-Reisen gesammelten 1000 Kacheln wurden so stilgerecht präsentiert. In dieser Zeit entstehen dann vor allem Leightons "orientalische" Bilder, in denen Accessoires und Textilien aus seiner delikaten Kollektion auftauchen.

Bei Claude Monet wird das berühmte Haus in Giverny, 80 Kilometer nördlich von Paris, schließlich zum Pilgerziel. Nicht erst posthum – das ist eine der amüsanten Überraschungen dieser Schau. Maître Monet hatte ein regelrechtes Ritual für Besucher festgelegt, wie bei einer Prozession führte er seine Gäste durch die farbenfrohen Räume und den reichen Garten, der oft genug Quelle seiner Bilder war.

Berghütten, Traumschlösser, Tempel

Kurios,  sicher, aber das ist noch nichts gegen den Freiluftfanatiker Giovanni Segantini, der 1886 damit begann, weit droben, in schwer zugänglichen, oft tief verschneiten Höhen zu malen. Sein Atelier war die Natur der Berge, zum Schutz der Bilder wurden dürftige, schmale Holzdächer aufgebaut. Weniger bekannt sind dann Segantinis Schloss-Ambitionen hoch über Maloja in Graubünden, nachdem er für die Weltausstellung 1900 ein grandioses Alpenpanorama schaffen sollte. Zu beidem kam es leider nicht, der Maler starb 1899.

Greifbarer, aber oft nicht weniger sonderbar sind die Traumschlösser und Tempel von Künstlern wie dem Symbolisten Fernand Khnopff in Brüssel, der in seinem bedeutungsgeladenen Heim-Showroom (ab 1899) einen Hypnos' (Gott des Schlafes) geweihten Altar aufstellt. Sachlich kühl wirkt dagegen Theo van Doesburgs De-Stijl-Atelierwohnhaus in Meudon bei Paris (ab 1929), immer noch unfassbar in seiner utopischen Anmutung der Merzbau Kurt Schwitters, erdverbunden indianisch Georgia O'Keeffes Lehm- und Holzranch in New Mexiko und – durchaus ein Pendant – Max Ernsts Wild-West-Paradies in Sedona, Arizona, in dem er 1946 mit einer Hopi-Maske auf dem Haupt Holzbretter an den Boden nagelt. Was einem Initiationsritus gleichkommt.

Keine Frage, die hier versammelten Künstlervillen zwischen Klassizismus und Moderne sind gut gewählt und hervorragend recherchiert. Im reich bebilderten, in jeder Hinsicht gewichtigen Katalog taucht man schnell ein in aufregende Künstlerkosmen. Was in der Ausstellung weniger gelingt. Denn hier fehlt etwas, das diese Häuser oft genug im Übermaß verströmen: Sinnlichkeit. Zwei, drei nachgebaute Räume, ein paar Möbel mehr und das eine oder andere Modell könnten die Imagination der Besucher leichter beflügeln, als Fotografien, exquisite Original-Grafik und all die fabelhaften Gemälde-Leihgaben – von Monet bis Segantini – in den fein abgezirkelten Kabinetten.

Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, bis 2. März 2014 – Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, Freitag bis 21 Uhr, Katalog (Hatje Cantz) 48 Euro

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.