Wilde Pixel und magische Wellen: Ein Rückblick auf das Kunstjahr

Es gab manches zu kritteln, dabei hat 2025 neben ein paar sehr überzeugenden Ausstellungen auch noch die Wiedereröffnung der Stuckvilla beschert
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Ein Bllick in die Austellung „Digital bei Nature“ mit Werken von Miguel Chevalier in der Kunsthalle.
Robert Haas 3 Ein Bllick in die Austellung „Digital bei Nature“ mit Werken von Miguel Chevalier in der Kunsthalle.
Bis ins kleinste Detail hat Franz von Stuck seine Villa gestaltet. Seit Mitte Oktober ist das Museum wieder geöffnet.
Jann Averwerser 3 Bis ins kleinste Detail hat Franz von Stuck seine Villa gestaltet. Seit Mitte Oktober ist das Museum wieder geöffnet.
In der immersiven Show „Vincent. Zwischen Wahn und Wunder“ landet man schon mal mitten im Gemälde - bis 12. April verlängert
Morris Mac Matzen/mmacm.com 3 In der immersiven Show „Vincent. Zwischen Wahn und Wunder“ landet man schon mal mitten im Gemälde - bis 12. April verlängert

Die Münchner Kunstszene blickt auf ein irres Jahr zurück, der zuständige bayerische Staatsminister spricht von "wilden Monaten". Und tatsächlich hat man sich zwischendurch gefragt, ob das alles noch real ist, ob man sich nicht einfach nur in einem sehr schlechten Traum verheddert hat und endlich der Wecker klingeln könnte. Denn es war so ziemlich alles geboten, vom problematischen Umgang mit der NS-Raubkunst bis zu vermeintlichen Sicherheitslücken und sexueller Belästigung - an den noblen Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Solches führt freilich dazu, dass man den Rest übersieht, nicht nur an den Pinakotheken, sondern genauso an den vielen anderen Museen der Landeshauptstadt. Deshalb bloß kurz: Münchens ehemaliger Kulturreferent Anton Biebl sollte eigentlich als "Change Manager" die bayerische Museumsoffensive voranbringen, seit April darf oder muss er außerdem den Super Mario an den Staatsgemäldesammlungen spielen. Das heißt, als Kapitän vor allem klar Schiff machen und den Tanker auf Kurs bringen, mit seiner stoisch guten Laune die Stimmung aus dem Keller holen und eine Strategie entwickeln.

Am Ende soll das alles zu tollen Kunsterlebnissen führen. Vereinfacht gesagt. Die gab es in diesem Sommer endlich wieder auf Herrenchiemsee: Den Modernen und Zeitgenossen der Pinakotheken bekommt dieser Ausflug, die IV. Königsklasse unter dem etwas kryptischen (Deichkind)Titel "Könnt Ihr noch?" - Kunst und Demokratie" fanden wir sehr gelungen. Im unvollendeten Flügel von Ludwigs II. Versailles-Kopie kommen die Arbeiten von Sheila Hicks, Francis Bacon oder Anselm Kiefer oft besser zur Geltung als zu Hause.

Nach einem Vierteljahrhundert die erste gemeinsame Ausstellung

In der Pinakothek der Moderne hat sich heuer allerdings ein mittleres Wunder ereignet: 23 Jahre nach der Eröffnung kam es zur ersten gemeinsamen (!) Ausstellung aller vier Museen. Anlass war das 100-jährige Bestehen der Neuen Sammlung, und Schwupps gab es einen spannenden Einblick in die 1920er und 30er Jahre - mit Objekten aus den Bereichen Gemälde und Skulptur, Grafik, Architektur und Design. Nach "4 Häuser - eine Moderne" sind Wiederholungstaten bereits ausgemacht, die nächste Schau dreht sich um Reflexionen, also Spiegel(ungen), Licht, Transparenz.

Am Lenbachhaus hätte man sich nach der kolossal gut besuchten Turner-Präsentation 2024 zurücklehnen dürfen. Dass wenigstens ein Münchner Museum den Surrealismus ins Visier nahm, war dann doch erfreulich - unter dem Tocotronic-Titel "Aber hier leben? Nein danke". Und jetzt gibt es auch noch städtische Verstärkung: Mitte Oktober hat die Villa Stuck ihre Tore wieder geöffnet. Die historischen Räume lohnen sich immer, auch ohne Sonderausstellung.

Zwischen Franz von Stucks "Sünde" und dem "Wächter des Paradieses" erlebt man das minutiös durchgeplante Künstlerdomizil noch einmal neu. Gerade nach dem Shabby-Charme des Interim-Quartiers an der Goethestraße. Aber wenigstens war nicht die ganze Zeit dicht, das spricht für die Crew.

Überraschungen mit dem Jugendstil

Wie das jetzt am Stadtmuseum laufen wird? Mit der Ausstellung "What the City" im Zeughaus bleibt man erst einmal sichtbar. Möglichst viele Perspektiven der Stadt zu zeigen, birgt aber die Gefahr der Beliebigkeit. Daran kann man feilen. Ein Highlight war dagegen die Ausstellung zum Münchner Jugendstil - gemeinsam mit der Kunsthalle. Auch wenn es stellenweise geknirscht haben soll, war das Ergebnis höchst erfreulich. Zumal selbst Kundige ihre Überraschungen erlebt haben.

Das ruft nach weiteren Team-Projekten. Das größte Stadtmuseum Deutschlands muss sichtbar bleiben. Nicht nur durch Leihgaben an andere Häuser wie den Prado oder den Louvre - wir erinnern uns an die Moriskentänzer in der Pariser "Figures du fou"-Ausstellung.

Aber dazu braucht es Geld, auch wenn die Stadt eisern sparen muss, und den Mut, Ungewöhnliches zu wagen. Der bereits erwähnten Kunsthalle ist dadurch zum 40-jährigen Bestehen ein echter Knüller gelungen: Die digitalen Welten des Miguel Chevalier sind großes Kunstkino. Man merkt, dass dieser Mann nicht eben mal Pixel und Voxel um sich wirft, weil das jetzt angesagt ist.

Der Franzose werkelt seit Anfang der 80er Jahre an Computern. Damals waren sie noch den Wissenschaftlern vorbehalten, doch der Kunststudent durfte nach Mitternacht seine ersten Codes zur Bildbearbeitung ausgrübeln. Die Mühen haben sich gelohnt. Was Chevaliers Werke auszeichnet, ist nicht nur die computerbasierte Bildgewalt, sondern auch die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte. Claude Monet wäre vom digitalen Blumenmeer seines Landsmannes begeistert. Und nicht nur er, Anfang Dezember waren bereits 100.000 Besucher in "Digital by Nature" - bis 1. März läuft die Schau.

Japan im Bücherpalast

Immersive Ausstellungen erleben einen Hype. Die Menschen wollen eintauchen in die Kunst und sich von Farben und Bildpartikeln umspülen lassen. Im Utopia, der ehemaligen Reithalle an der Heßstraße, sind es nach Frida Kahlo, Gustav Klimt und Tutanchamun nun die Sonnenblumen und Sterne von Vincent van Gogh. Mit dem kann man sogar plaudern, was selbst zu Lebzeiten eher schwierig gewesen sein muss.

Manchmal ist das Kunstglück auch ganz unvermutet zu finden. Zum Beispiel in einem Bücherpalast. Mit den "Farben Japans" hat die Bayerische Staatsbibliothek den größten Ansturm ihrer mehr als 180- jährigen Geschichte erlebt. Alle wollten Hokusais berühmte "Große Welle" sehen und nahmen Wartezeiten von bis zu drei Stunden in Kauf. Dafür gab’s noch mehr raffinierte Farbholzschnitte und Einblick in eine faszinierende Kultur.

Das kann sich sehen lassen. Und schließlich ist München umringt von institutionellen Überfliegern wie dem Diözesanmuseum in Freising. Das imponiert dauernd mit neuen - Pardon, wir zitieren - Wow-Effekten. Die Ritter der Museumsoffensive könnten dort eher fündig werden als in Oslo oder New York.

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