Kritik

Was macht das Baby in der Bank? Die Sammlung Goetz in der Maxburg

Nach dem schnellen Aus im Kaufhof am Stachus hat die Sammlung Goetz in der Maxburg einen fabelhaften Galerieraum bezogen - und gleich die erste Ausstellung macht Lust auf sehr viel mehr
Autorenprofilbild Christa Sigg
Christa Sigg
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Eine Tragetasche samt Baby steht vor dem Geldautomaten. Hat da jemand sein Kind vergessen, oder spekuliert er oder sie, dass sich ein freundlicher Mitmensch erbarmt und dem „Modern Moses“ ein gutes neues Zuhause schenkt? Was zählt, ist das Geld. Tom Sachs bringt das mit seiner überdimensionalen „One Dollar“-Note prima zum Ausdruck.
Eine Tragetasche samt Baby steht vor dem Geldautomaten. Hat da jemand sein Kind vergessen, oder spekuliert er oder sie, dass sich ein freundlicher Mitmensch erbarmt und dem „Modern Moses“ ein gutes neues Zuhause schenkt? Was zählt, ist das Geld. Tom Sachs bringt das mit seiner überdimensionalen „One Dollar“-Note prima zum Ausdruck. © Thomas Dashuber/the artists/VG Bildkunst Bonn 2025, Sammlung Goetz, München

O nein, jetzt werden die Findelkinder schon vorm Bankautomaten abgelegt! Unwillkürlich erschrickt man, wenn an der Pacellistraße 5 die große Glastür aufgeht. Elmgreen & Dragset stehen dem Hyperrealisten Duane Hanson nicht nach, man fällt auf die Täuschungen des dänischen Künstlerduos in schöner Regelmäßigkeit herein - selbst wenn man sie kennt. Insofern ist dieser Auftakt einer neuen Ausstellungsserie der Sammlung Goetz höchst gelungen, „Handle with Care“ (mit Vorsicht behandeln), so der Titel, macht neugierig und zieht in den Fake-Kassenraum.

Seit wenigen Tagen bespielt die mittlerweile staatlich verankerte Institution in der Neuen Maxburg ein „Schaufenster“, um sichtbar zu bleiben. Aus gutem Grund. Die Sanierung des seit 2023 geschlossenen Museumsbaus in Oberföhring ist noch nicht einmal begonnen, eine Wiedereröffnung steht in den Sternen, zumal die Reihe der maladen Aspiranten lang und länger wird.

In den nächsten Jahren braucht es Interimslösungen, und die wenigen Quadratmeter in der Ladenzeile der Maxburg sind allemal attraktiver und aussichtsreicher als ein ganzes Untergeschoss im alten Kaufhof am Stachus. Sie erinnern sich? Vor zwei Jahren wurde dort mit großem Bohei ein Zwischennutzungskonzept vorgestellt, doch das so bezeichnete „Lovecraft“ musste mit der Eröffnung gleich wieder schließen. Es fehlte nicht bloß an den Genehmigungen und technischen Voraussetzungen, was natürlich keiner um den Zwischennutzungs-Guru Michi Kern auch nur ahnen konnte.

Als sei es für Kunst gemacht

Dagegen strahlt und funktioniert das neue „Schaufenster“ nach einem kosmetischen Tuning, als sei es für die Kunst gemacht. Dank Sep Rufs kluger Gestaltung mit bodentiefen Fenstern wirkt diese eher schmale, lang gezogene Galerie großzügig elegant. Und wer geschickt hängt wie Michael Elmgreen und Ingar Dragset, die die neue Schau im Team mit Karsten Löckemann von der Sammlung Goetz auch gleich kuratiert haben, schafft interessante Sichtachsen und Dialoge.

Ein Blick in die Ausstellung Elmgreen & Dragset. Handle with Care, Sammlung Goetz /Schaufenster
Ein Blick in die Ausstellung Elmgreen & Dragset. Handle with Care, Sammlung Goetz /Schaufenster © Thomas Dashuber/the artists/VG Bildkunst Bonn 2025, Sammlung Goetz, München

Neben dem Bankautomaten, vor dem der in seiner Tragetasche schlummernde „Modern Moses“ noch gar nicht merkt, dass es ihm an Fürsorge fehlt, dominiert Tom Sachs‘ fast drei Meter breiter „One Dollar“-Schein. Die Riesennote ist in eine Holztafel eingebrannt, eine Pyrografie sozusagen, und man entdeckt neben dem Auge des Allwissenden den Wahlspruch „In God We Trust“. Fragt sich nur, ob man auch dem Staat noch trauen kann, der Gesellschaft, den nächsten Nachbarn. Und was hält ein Land außer einer gemeinsamen Währung überhaupt zusammen?

Ein Blick in die Ausstellung Elmgreen & Dragset. Handle with Care, Sammlung Goetz /Schaufenster
Ein Blick in die Ausstellung Elmgreen & Dragset. Handle with Care, Sammlung Goetz /Schaufenster © Thomas Dashuber/the artists/VG Bildkunst Bonn 2025, Sammlung Goetz, München

Moses wird es sicher bald erfahren. Dass ihn die Tochter eines Konzernchefs adoptiert, dürfte unwahrscheinlich sein. Aber wer weiß. Vielleicht gerät er auch in die Obhut eines Paars, das ihn als Ausweg aus der verquasten Ehe betrachtet: „Second Marriage“ zeigt zwei Waschbecken, die durch völlig wirre Rohre miteinander verbunden sind. Oder die noch verschränkten Arme der goldenen Dienstmädchen-Perle „Tala“ wiegen Moses wie ein Weidenkörbchen auf dem Nil. Sofern in dieser festgeschweißten Stellung überhaupt etwas geht.

Jede Menge Denkanstöße

Elmgreen & Dragset liefern mit ihren sozialkritischen, subversiven und zwischendurch herrlich humorvollen Installationen jede Menge Denkanstöße. In alle Richtungen. Die beiden sind von einer frappierenden Offenheit. Dadurch lassen sich ihre Arbeiten oft erhellend mit anderen Positionen kombinieren, wie sie überhaupt ein Händchen für die Inszenierung kollegialer Werke haben. In München stellten die Dänen das 2013 durch ihre Erkundung des öffentlichen Raums mit dem Titel „A Place Called Public“ unter Beweis.

Michael Elmgreen & Ingar Dragset.
Michael Elmgreen & Ingar Dragset. © Elmar Vestner

Neben Tom Sachs sind es im „Schaufenster“ Cindy Sherman und Rosemarie Trockel, die sich lässig ins „Handle with Care“-Konzept fügen. Sherman sieht sich ihrem Kollegen Richard Prince gegenüber - beide eindrucksvolle sinnierend und zwillingshaft samt identischer Mireille-Mathieu-Frisur aufgemacht. Trockel beweist mit ihren subtilen Textilarbeiten ohnehin ein behutsames Vorgehen.

Das ist auch im Umgang mit der Installation „Lobby“ erforderlich, denn die vermeintlichen Eisenplatten bestehen aus Keramik. Man setzt sich besser nicht, aber da knüpft dieses Konstrukt an die wenig einladenden Empfangsbereiche von Hotels und Firmenzentralen an. Von der Maxburg kann man das wirklich nicht behaupten.

Nur der alte Renaissance-Turm war im Krieg stehen geblieben. Drumherum baute Sep Ruf ab 1953 die Neue Maxburg.
Nur der alte Renaissance-Turm war im Krieg stehen geblieben. Drumherum baute Sep Ruf ab 1953 die Neue Maxburg. © Rüdiger Wölk/imago

Und schön, die Schaufenstersituation wiederholt sich zum zentralen Innenhof hin. Das sorgt für Licht und Durchlässigkeit. Auf einen Moses trifft man dort übrigens auch, die Umgebung ist prädestiniert, mit einbezogen zu werden. Entsprechende Führungen sind bereits in Planung.

„Handle with Care“ bis 28. Februar in der Maxburg, Pacellistraße 5, Di/Mi 12 bis 18, Do/Fr 14 bis 20, Sa 12 bis 18 Uhr, Eintritt 4, ermäßigt 3 Euro, nächste Führungen am Donnerstag, 18 Uhr (mit Karsten Löckemann) und am Samstag, 15 Uhr; mehr auf www.sammlung-goetz.de

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.