Was macht das Baby in der Bank? Die Sammlung Goetz in der Maxburg

O nein, jetzt werden die Findelkinder schon vorm Bankautomaten abgelegt! Unwillkürlich erschrickt man, wenn an der Pacellistraße 5 die große Glastür aufgeht. Elmgreen & Dragset stehen dem Hyperrealisten Duane Hanson nicht nach, man fällt auf die Täuschungen des dänischen Künstlerduos in schöner Regelmäßigkeit herein - selbst wenn man sie kennt. Insofern ist dieser Auftakt einer neuen Ausstellungsserie der Sammlung Goetz höchst gelungen, „Handle with Care“ (mit Vorsicht behandeln), so der Titel, macht neugierig und zieht in den Fake-Kassenraum.
Seit wenigen Tagen bespielt die mittlerweile staatlich verankerte Institution in der Neuen Maxburg ein „Schaufenster“, um sichtbar zu bleiben. Aus gutem Grund. Die Sanierung des seit 2023 geschlossenen Museumsbaus in Oberföhring ist noch nicht einmal begonnen, eine Wiedereröffnung steht in den Sternen, zumal die Reihe der maladen Aspiranten lang und länger wird.
In den nächsten Jahren braucht es Interimslösungen, und die wenigen Quadratmeter in der Ladenzeile der Maxburg sind allemal attraktiver und aussichtsreicher als ein ganzes Untergeschoss im alten Kaufhof am Stachus. Sie erinnern sich? Vor zwei Jahren wurde dort mit großem Bohei ein Zwischennutzungskonzept vorgestellt, doch das so bezeichnete „Lovecraft“ musste mit der Eröffnung gleich wieder schließen. Es fehlte nicht bloß an den Genehmigungen und technischen Voraussetzungen, was natürlich keiner um den Zwischennutzungs-Guru Michi Kern auch nur ahnen konnte.
Als sei es für Kunst gemacht
Dagegen strahlt und funktioniert das neue „Schaufenster“ nach einem kosmetischen Tuning, als sei es für die Kunst gemacht. Dank Sep Rufs kluger Gestaltung mit bodentiefen Fenstern wirkt diese eher schmale, lang gezogene Galerie großzügig elegant. Und wer geschickt hängt wie Michael Elmgreen und Ingar Dragset, die die neue Schau im Team mit Karsten Löckemann von der Sammlung Goetz auch gleich kuratiert haben, schafft interessante Sichtachsen und Dialoge.

Neben dem Bankautomaten, vor dem der in seiner Tragetasche schlummernde „Modern Moses“ noch gar nicht merkt, dass es ihm an Fürsorge fehlt, dominiert Tom Sachs‘ fast drei Meter breiter „One Dollar“-Schein. Die Riesennote ist in eine Holztafel eingebrannt, eine Pyrografie sozusagen, und man entdeckt neben dem Auge des Allwissenden den Wahlspruch „In God We Trust“. Fragt sich nur, ob man auch dem Staat noch trauen kann, der Gesellschaft, den nächsten Nachbarn. Und was hält ein Land außer einer gemeinsamen Währung überhaupt zusammen?

Moses wird es sicher bald erfahren. Dass ihn die Tochter eines Konzernchefs adoptiert, dürfte unwahrscheinlich sein. Aber wer weiß. Vielleicht gerät er auch in die Obhut eines Paars, das ihn als Ausweg aus der verquasten Ehe betrachtet: „Second Marriage“ zeigt zwei Waschbecken, die durch völlig wirre Rohre miteinander verbunden sind. Oder die noch verschränkten Arme der goldenen Dienstmädchen-Perle „Tala“ wiegen Moses wie ein Weidenkörbchen auf dem Nil. Sofern in dieser festgeschweißten Stellung überhaupt etwas geht.
Jede Menge Denkanstöße
Elmgreen & Dragset liefern mit ihren sozialkritischen, subversiven und zwischendurch herrlich humorvollen Installationen jede Menge Denkanstöße. In alle Richtungen. Die beiden sind von einer frappierenden Offenheit. Dadurch lassen sich ihre Arbeiten oft erhellend mit anderen Positionen kombinieren, wie sie überhaupt ein Händchen für die Inszenierung kollegialer Werke haben. In München stellten die Dänen das 2013 durch ihre Erkundung des öffentlichen Raums mit dem Titel „A Place Called Public“ unter Beweis.

Neben Tom Sachs sind es im „Schaufenster“ Cindy Sherman und Rosemarie Trockel, die sich lässig ins „Handle with Care“-Konzept fügen. Sherman sieht sich ihrem Kollegen Richard Prince gegenüber - beide eindrucksvolle sinnierend und zwillingshaft samt identischer Mireille-Mathieu-Frisur aufgemacht. Trockel beweist mit ihren subtilen Textilarbeiten ohnehin ein behutsames Vorgehen.
Das ist auch im Umgang mit der Installation „Lobby“ erforderlich, denn die vermeintlichen Eisenplatten bestehen aus Keramik. Man setzt sich besser nicht, aber da knüpft dieses Konstrukt an die wenig einladenden Empfangsbereiche von Hotels und Firmenzentralen an. Von der Maxburg kann man das wirklich nicht behaupten.

Und schön, die Schaufenstersituation wiederholt sich zum zentralen Innenhof hin. Das sorgt für Licht und Durchlässigkeit. Auf einen Moses trifft man dort übrigens auch, die Umgebung ist prädestiniert, mit einbezogen zu werden. Entsprechende Führungen sind bereits in Planung.
„Handle with Care“ bis 28. Februar in der Maxburg, Pacellistraße 5, Di/Mi 12 bis 18, Do/Fr 14 bis 20, Sa 12 bis 18 Uhr, Eintritt 4, ermäßigt 3 Euro, nächste Führungen am Donnerstag, 18 Uhr (mit Karsten Löckemann) und am Samstag, 15 Uhr; mehr auf www.sammlung-goetz.de
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