Saniertes Diözesanmuseum: Das Lichtwunder vom Domberg
Was für ein Auftakt – licht und weit! Wenn man früher, hoch über Freising, ins Diözesanmuseum getreten war und die schwere Holztür ins Schloss fiel, hat einem das beengte Foyer immer ein bisschen den Schwung vom steilen Aufstieg auf den Domberg genommen. Aber jetzt ist alles dreimal so groß. Mindestens. Denn Wände sind gefallen, das ist wirklich einladend. Und der Blick geht auch gleich noch weiter in den riesigen Lichthof, von dem man früher nur einen Spalt sehen konnte.

Dort mögen sich Denkmalpfleger über den Verlust der alten Holzdecke grämen. Dass das dunkle Dach nicht angemessen rekonstruiert werden konnte, ist vielmehr ein Segen. Mit Schadstoffen waren die Balken außerdem belastet. Und immerhin sind die Strukturen der Kassetten mit ihren "Kreuzstichen" übernommen, Kompromisse müssen halt sein. Doch auch darauf hätte man – optisch – verzichten können, um noch mehr Leichtigkeit in diesen Lichthof zu bekommen.
Ein ganz anderer Zauber
Sei's drum, man schaut selbst im frommen Freising nicht dauernd zum Himmel und wird sowieso von einem ganz anderen Zauber abgelenkt: Vis-à-vis vom Eingang hat James Turrell die ehemalige Hauskapelle in einen Lichtraum verwandelt. Man badet in sanftem Gelb, Pink, Lila und weiß Gott, welchen Zwischentönen, dass das Auge oder besser das Gehirn sowieso nicht mehr ermessen kann, wo Grenzen verlaufen oder vielleicht schon die Unendlichkeit begonnen hat.
"A Chapel for Luke and his Scribe Lucius the Cyrene" – "eine Kapelle für Lukas und seinen Schreiber Lucius von Kyrene", nennt der US-amerikanische Installationskünstler dieses hyperästhetische Energiezentrum, und man realisiert auch schon die Erleuchtung und den Drang dieser frühen Vertreter der Christenheit, die frohe Botschaft in die Welt hinauszustrahlen.

Doch egal, was einem in den Sinn kommt: Das Bekenntnis zur zeitgenössischen Kunst ist bei der Wiedereröffnung des Hauses nach neun Jahren Generalsanierung unübersehbar. Und mit Werken von Anselm Kiefer, der fabelhaften Berlinde De Bruyckere – ihr überdimensionaler Arcangelo (Erzengel) dominiert den Lichthof –, Neo Rauch oder der jungen Freisinger Malerin Brigitte Stenzel funkt die Gegenwart längst durch die 1.700 Jahre umfassende Sammlung. Direktor Christoph Kürzeder hat das nonchalant forciert.
Was allerdings noch fehlt, ist Kiki Smiths "Mary's Mantle Chapel", ein kleiner Sakralraum auf der Westterrasse des Museums, den die amerikanische Künstlerin im nächsten Frühling gestalten wird. Überhaupt hätten ein paar weitere Wochen gut getan, um das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sowie die Einrichtung der Schausammlung ohne Herzkasper fertig zu bekommen.
Beträchtliche Bremsklötze sind überwunden
Aber wie das so ist, was lange dauert – und die Freisinger Bremsklötze waren beträchtlich –, muss am Ende besonders schnell gehen. Jedenfalls funktioniert das Prinzip der "Geöffneten Wände". Der über die Jahre immer wieder um- und weiter zugebauten Komplex, in dem einst das Erzbischöfliche Knabenseminar untergebracht war, ist nach den Plänen des Architekturbüros Brückner & Brückner deutlich entschlackt worden.
Das hat zum einen großzügigere Räume samt Bar und Besucherbibliothek beschert. Zum anderen erlauben Durch- und Ausblicke interessante Objektbezüge und sinnstiftende Sichtachsen. Auch in die Umgebung. Und das kann gerade bei dieser oft sehr mit der Landschaft und dem Brauchtum verbundenen Kunst einigen Charme entwickeln. Etwa wenn sich neben Maria, der Himmelskönigin mit ihrer goldenen Krone, der blaue Himmel über der Stadt auftut.
2.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche bieten Platz für die ständige Sammlung, in der freilich nur ein Bruchteil der rund 40.000 Objekte sowie wechselnde Präsentationen gezeigt werden können. Zum Start am Sonntag ist das auch gleich eine sehr ambitionierte Sonderschau über "Leben und Glauben im Schatten des Vesuv" mit dem vielsagenden Haupttitel "Tanz auf dem Vulkan". Aktueller geht's kaum, die Bedrohung durch Naturkatastrophen ist längst im sicheren Europa angekommen. Von Krieg und Krisen ganz zu schweigen.
Man erfährt, wie die Menschen vor Jahrhunderten in Neapel mit dieser ständigen Gefahr umgegangen sind – beim Vulkanausbruch beten die Frauen, die Männer gucken bedröppelt – und welche Rolle der Stadtpatron San Gennaro, also der Heilige Januarius, dabei gespielt hat. Vieles hat Italien zum ersten Mal verlassen, das ist eine kleine Sensation. Und am Ende darf man tatsächlich tanzen: unter blinkenden Kristalllüstern zu "Funiculì, Funiculà" natürlich. Peppino Turco hat das Lied 1880 zur Einweihung der ersten Seilbahn (italienisch: funicolare) am Hang des Vesuvs komponiert.
Dauerausstellung mit zeitgemäßen Fragestellungen
Auch die Dauerausstellung ist unter sehr heutigen Fragestellungen konzipiert. Christoph Kürzeder und sein Team haben deshalb auf jede Epocheneinteilung verzichtet und Themen wie die "Menschwerdung" und damit die Geburt, dann das "Verlorene Paradies" beziehungsweise die "Sehnsucht nach Erlösung" oder "Maria" und mit ihr das Frauenbild aufgefächert. Die Exponate reichen von der winzigen Betnuss mit Szenen aus dem Leben der heiligen Anna bis zum Freisinger Lukasbild, einer um 1000 entstandenen byzantinischen Marienikone, für die der Münchner Goldschmied Gottfried Lang 1629 einen prachtvollen Silberaltar geschaffen hat, der in bester barocker Theatermanier von Engeln umschwirrt wird.

Weitere Höhepunkte sind die Skulpturen von Erasmus Grasser und den süddeutschen Barock- und Rokokobildhauern Ignaz Günther, Johann Baptist Straub oder den Asams, spätmittelalterliche Malerei von Jan Polack, aber genauso eine umwerfende Rosenkranzsammlung, die das Beten definitiv schöner und aufregender gemacht hat. Manches könnte übrigens sofort als Designerschmuck durchgehen.
"Es war einmal…" ist von gestern. Christoph Kürzeder will den "Menschen ein lebendiges, bis heute relevantes Erbe vermitteln". Und Denkanstöße geben. Das ist ihm im Kloster Beuerberg mit einer Reihe bemerkenswerter Ausstellungen gelungen – und das darf der leidenschaftliche Vermittler nun wieder in einem neuerdings offenen, kommunikationsfreudigen Museum tun. Dafür sind die 73,8 Millionen Euro ziemlich gut angelegt.
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