Rheinischer Charme an der Rampe
Man sieht es sofort, dieser Mann muss Kunst um sich haben. Dann fühlt er sich wohl. Und wenn Walter Storms erst eine Weile vor Gotthard Graubners leuchtenden Riesenfarbkissen posiert, scheinen ihn kräftiges Orange, helles Zitronengelb oder changierendes Rosa förmlich zu elektrisieren. Nach einem langen Galerietag mit tausend Telefonaten, Verwaltungskram und einem Stapel Briefen, die er noch schnell unterzeichnen muss.
Vor ein paar Minuten erst hat sich Frankfurts Museums-Oberboss Max Hollein verabschiedet. Der im Mai überraschend verstorbene Graubner zieht an, und natürlich könnte auch Holleins Städel noch die eine oder andere Arbeit vertragen. Storms sieht das ganz entspannt. Dass einer seiner Stammkünstler so früh abtreten musste, nagt allerdings an ihm, und man beginnt zu spüren, weshalb Otto Piene und Sean Scully, Gerhard Merz oder Giuseppe Spagnulo ihrem Galeristen die Treue halten. Und er ihnen. „Das ist wie eine Ehe“, sagt Storms, „deshalb muss man sich genau prüfen, bevor man miteinander ins Bett geht“.
Für Schnelllebiges hat er kein Verständnis. „Ich bin halt konservativ“, erklärt der Missionsschüler, der mal Papst werden wollte. Wahrscheinlich nur so lange bis der gebürtige Rheinländer Wein, Weib und die Kunst entdeckt hatte. Auch da kann man an der „Rampe stehen“, was ihm durchaus behagt. Dass der studierte Kunsthistoriker weder im Museum und erst recht nicht im stillen Forschungskämmerlein landen wollte, war damit klar.
Aus dem Lastwagen in die Galerie
Schon in Studententagen hat er die ersten Ausstellungen organisiert. 1972 war das, als Storms wegen der Olympischen Spiele nach München gekommen war. Ein guter Sportler sei er damals gewesen, Handballer. Aber auch einer, der was auf die Beine stellt: Zu den Spielen der Jugend der Welt holte er junge Kunst aus Prag nach München. „Damals fuhr kaum einer in den Osten“, erzählt er. Außerordentlich schwierig sei das gewesen, teuer dazu, aber ihn reizten die Entdeckungen in Prag, Warschau, Moskau – und das Abenteuer. Seine Käufe musste Storms regelmäßig über die Grenze schmuggeln, die riesigen Bilder auf dem Dachträger seines Autos „deklarierte“ er dann als Bühnendeko für eine Rock’n’Roll-Band. Wobei man sich viel mehr für den Rücksitz interessierte: Geschickt hatte er dort Playboy-Heftchen verteilt. Waren die erst konfisziert, wurde er ruckzuck durchgewinkt.
Um Ideen war der Kunstfreak nie verlegen. Trotzdem wurde seine Arbeit mit der ersten Galerie 1977 an der Kaulbachstraße nicht einfacher. Storms nahm wenig ein, jobbte von sechs bis zwölf als Lastwagenfahrer, band sich danach eine Krawatte um und mutierte zum Galeristen.
Die Krise trifft vor allem den "Modemarkt"
Armin Zweite, damals junger Chef am Lenbachhaus, hat ihm ein großes Bild abgekauft, „für 10.000 Mark, was damals ein Schweinegeld war“, sagt Storms. Doch die nächsten Durststrecken blieben nicht aus. Trotzdem kam ihm nie etwas anderes in den Sinn, als Kunst. Konkrete Kunst, wie er betont, „mit Expression, wild oder aus dem Bauch raus habe ich mich nie beschäftigt“. Dafür brachte er mit Charme und Eloquenz („ich war Klassensprecher, DJ in der Dorfdisko und hab’ die Mädels mit den Jungs verkuppelt“) rheinländische Positionen nach München. Uecker und seine Nägel, Girke mit den monochromen Strukturbildern und eben Graubner, der sich kaum besser entfalten kann als im relativ neuen 500-Quadratmeter-Domizil an der Schellingstraße.
Wie geschaffen sind die lichten, hohen Räume der ehemaligen Glaserei für Storms’ Programm, zu dem der 2009 mit fast 102 Jahren verstorbene Farbguru Rupprecht Geiger gehört, aber auch jüngere Künstler wie die Maler Shannon Finley und Peter Krauskopf, die Bildhauerin Julia Mangold oder der Fotograf Robert Voit. Es gibt zwar noch eine Dependance an der Ismaninger Straße, die dient aber eher für Einladungen mit überschaubarer Gästeliste. Zwischen Pinakotheken und Akademie tobt dagegen das Leben.
Als er vor vier Jahren, mitten in der Krise, in die Maxvorstadt zog, hielten ihn viele Kollegen für plemplem. Doch von klammen Portemonnaies hat der 67-Jährige nichts gespürt, unter denen leide vor allem der „Modemarkt“ mit Leuten wie Jeff Koons und Co. Storms’ Helden sind krisenfest, wofür er sich einmal entschieden hat, bleibt. Zu Hause wie in der Galerie. Enttäuschte Kunden wären für ihn überhaupt das Schlimmste. „Schämen würd’ ich mich, wenn ein Bild nix mehr wert wär“, sagt er, „aber mir ist noch nie was hopsgegangen“.
Walter Storms Galerie, Schellingstr. 48, Tel. 27 37 01 62, Di bis Fr 11 bis 18, Sa 11 bis 16 Uhr, Gotthard Graubner bis 1. Feb. (23. Dez. bis 6. Jan. geschlossen)
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