Zurückrudern macht Freude: Restitution eines Cranachs
Um besondere Präsente zu überreichen, ist der Advent geradezu ideal. Eine liebliche Madonna samt Jesuskind und der eigenen Mama wirbt gleich noch für familiäres Einverständnis. Entsprechend selig, fast ausgelassen war dann auch die Stimmung bei der Übergabe im Büro von Anton Biebl, dem Leiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Eine „Hl. Anna Selbdritt“ aus dem Cranach-Umkreis ging an die Erben von Ernst Magnus zurück.
Der versierte Kunstsammler und Bankdirektor hatte das zwischen 1522 und 1525 entstandene Andachtsbild 1940 an die Luzerner Galerie Fischer in Kommission gegeben. Über den Kunsthändler Walter Andreas Hofer wurde es 1941 an Hermann Göring verkauft. Die amerikanischen Alliierten stellten es nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Central Collecting Point sicher, reichten es an den Bayerischen Ministerpräsidenten weiter, und von dort ging das Bild 1961 als „Erwerbung aus NS-Besitz“ an die Staatsgemäldesammlungen. Das war ein übliches Prozedere. Dass die Familie von Ernst Magnus so lange auf die Restitution warten musste, allerdings auch.
Bereits 2009 hatten die Erben ein Rückgabegesuch gestellt. Das wurde ein Jahr später auf „Grundlage der damaligen Handreichung“ abgelehnt, so heißt es in der Begründung. Doch seit 2024 gibt es einen neuen Bewertungsrahmen der Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut. Deshalb wurden das Gemälde und seine Veräußerung noch einmal geprüft.
Ein klarer Fall?
Ohnehin gibt es im Fall der Familie Magnus einen ausführlichen Schriftwechsel, der zweifellos nahelegt, dass es sich bei der „Hl. Anna Selbdritt“ um „Fluchtgut“ handelt. Das sind Kunstwerke, die Emigranten außerhalb des NS-Machtbereichs verkauft haben.
Ernst Magnus und seine Familie waren mit dem Beginn des NS-Regimes zunehmenden Repressalien ausgesetzt. Das reichte von gesperrten Konten bis zur sogenannten Judenvermögensabgabe. Deshalb war Magnus bereits 1935 nach Lausanne emigriert. Um die Flucht nach Kuba zu finanzieren, blieb dem Sammler nichts anderes, als sich von seinen geliebten Werken zu trennen. Der Familie gelang 1941 schließlich die Ausreise nach Havanna, doch Ernst Magnus starb wenige Monate später, Frau und Tochter konnten in die USA fliehen.
Man möchte meinen, das sei ein klarer Fall. Doch erst die Einbeziehung der „Fluchtgut“-Situation hat den Weg für eine erneute Recherche und die Rückgabe überhaupt möglich gemacht. Kurios ist das schon, aber endlich eine Lösung. Der Fall Magnus war zwar bereits vor einem Jahr im Prozess der Klärung. Dass die Restitution dann doch etwas rascher erfolgt ist, dürfte nicht zuletzt mit dem Raubkunst-Skandal im Frühjahr zu tun haben.
Weitere Neubewertungen sind zu erwarten
Urenkelin Hannah Cavendish-Palmer wirkte erleichtert, sie war eigens aus Seattle angereist, um das Bild zumindest zu begutachten und den Vertrag zu unterzeichnen. Noch auf Biebls Besprechungstisch wurde der kleine „Cranach“ abgeklebt und verpackt. Das Gemälde geht zu Sotheby’s, um in der Alt-Meister-Auktion im Februar versteigert zu werden. Auch das ist ein übliches Prozedere, eine kostbare Malerei kann schwerlich unter mehreren Erben aufgeteilt werden.

Für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und das neu gegründete Referat für Provenienzforschung, das an die Museumsagentur angegliedert ist, werden nun einige abgeschlossene Fälle erneut zu prüfen sein. Neubewertungen wie bei der „Hl. Anna Selbdritt“ sind zu erwarten - und bedeuten endlich eine Annäherung an die Realität. Mit dem Passieren der deutschen Grenzen hatten für das Gros der Emigranten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten erst richtig begonnen. Ihr Hab und Gut zu verkaufen, war für viele überlebensnotwendig.
Nimmt man an den Staatsgemäldesammlungen die Werke hinzu, die noch nicht eingehend untersuchen wurden, kommt auf das nach wie vor überschaubare Provenienzforschungsteam gewaltige Arbeit zu. Ohne eine Erweiterung wird es nicht gehen. Das weiß auch Staatsminister Markus Blume (CSU), der die Restitution von NS-Raubgut weit oben auf seiner Agenda hat.
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