Interview

Pinakotheken: Ein Silberstreifen am Horizont?

Vom Change-Manager zum Krisenüberwinder: Anton Biebl soll an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen so ziemlich alles richten. Ein AZ-Gespräch über Geld und Sicherheit, das „Klima der Angst“ und die Rückgabe von NS-Raubkunst
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Findet Anton Biebl den Weg durch den staatlichen Kunstdschungel? Oder Sumpf? Vor den Graffitis an der Münchner Großmarkthalle hatte er vor drei Jahren jedenfalls noch was zu lachen. Wobei man die Kraft der guten Laune nicht unterschätzen sollte.
Bernd Lindenthaler/imago Findet Anton Biebl den Weg durch den staatlichen Kunstdschungel? Oder Sumpf? Vor den Graffitis an der Münchner Großmarkthalle hatte er vor drei Jahren jedenfalls noch was zu lachen. Wobei man die Kraft der guten Laune nicht unterschätzen sollte.

Durchs Büro flutet Sonnenlicht von zwei Seiten, und Anton Biebl ist guter Dinge. Wie immer. Aber anders kommt man nicht durch einen Sumpf voller Versäumnisse und Malaisen. Von der verschleppten Restitution von NS-Raubkunst bis zu den internen Schwierigkeiten hat er als Interimschef der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Beträchtliches zu stemmen. Eigentlich bräuchte der bekennende Comicfan ein Superman-Outfit, um allein schon von Termin zu Termin zu fliegen.

AZ: Herr Biebl, Sie wurden engagiert, um im Freistaat die Museumsoffensive voranzubringen. Durch die Raubkunstaffäre sind Sie gleich noch zum Leiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen bestellt worden. Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?
ANTON BIEBL: Sicher, aber mir war schnell klar, dass man eine Museumsoffensive nicht erfolgreich managen kann, wenn ein Tanker wie die Staatsgemäldesammlungen in schwere See geraten ist. Die Museumsoffensive beschäftigt sich mit den Themen „Profile schärfen“, „Neue Sichtbarkeit“ und vielem mehr. Das kann man nur vorantreiben, wenn das Haus im Inneren wie nach außen hin gut bestellt ist. Also bin ich jetzt dabei, die internen und externen Untersuchungen zu unterstützen und die anstehenden Aufgaben abzuarbeiten.

Was konnten Sie bereits voranbringen?
In einem großen Haus muss die Direktion immer ansprechbar sein, deshalb gibt es jetzt eine ständige Vertretung des Generaldirektors, und auch die Sammlungsdirektion der Alten Pinakothek wurde neu besetzt - in einem transparenten Verfahren. Mir ist eine neue Gesprächskultur ganz wichtig, und dazu müssen wir mehr kommunizieren. Ich habe neue Besprechungsformate eingeführt, die Themen wie Service, Sicherheit oder Öffentlichkeitsarbeit betreffen. Unsere Personalversammlung habe ich auf halb neun vorverlegt, damit können zum Beispiel auch die Sicherheitsleute und Aufsichten teilnehmen.

"Wir brauchen einen klaren Verhaltenskodex"

Wie begegnen Sie den Vorwürfen, es herrsche in den Pinakotheken ein „Klima der Angst“?
Wir haben jetzt ein Forum, in dem Probleme sofort auf den Tisch kommen. Es kann nicht sein, dass jemand die letzte Möglichkeit darin sieht, an die Öffentlichkeit zu gehen, weil er intern nicht gehört wird. Und was das „Klima der Angst“ betrifft: Wir brauchen einen klaren Verhaltenskodex. Bei der Stadt München gibt es diesen Kodex seit Jahren. Angestoßen wurde er durch die „MeToo“-Debatte an den Theatern.

Dann stehen noch die Überwachung von Mitarbeitern, sexuelle Belästigung und die Vernachlässigung der Sicherheit im Raum. Was ist Ihr Eindruck?
Die Beschäftigten, auf die sich die Vorwürfe beziehen, haben zu einem externen Wachdienst gehört und sind gleich nach Bekanntwerden der Vorfälle aus dem Museum ausgeschlossen worden. All diese Vorwürfe sind Teil der internen Untersuchung unter Leitung des Kunstministeriums. Auf alles wurde umgehend reagiert.

"Die Sicherheit der Kunstwerke war durchaus gewährleistet"

Damit ist die Frage der Sicherheit der Kunstwerke noch nicht geklärt.
Wir haben seit Juni die Abteilung Sicherheit in den Staatsgemäldesammlungen wieder fest besetzt und bereits eine Strategie entwickelt, um hier besser zu werden. Ich habe mir das auch vor Ort angeschaut und muss sagen: Die Sicherheit der Werke und der Besucherinnen und Besucher war durchaus gewährleistet.

Man gewinnt manchmal den Eindruck, die Menschen, die auf die Kunst aufpassen, sind auf ihre Aufgabe nicht vorbereitet.
Deshalb führen wir vor der Öffnung des Museums die Galeriegespräche mit dem Sicherheits- und dem Aufsichtspersonal. Da geht es um die aktuellen Herausforderungen: Welche Ausstellungen haben wir? Steht eine große Eröffnung an? Man identifiziert sich dann anders mit dem Haus und der Aufgabe.

Wie ist der Stand bei der Provenienzforschung und den Vorwürfen, Restitutionen zu verschleppen?
Die externen Untersuchungen werden durch Prof. Meike Hopp durchgeführt, die der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste vorsteht. Mitte September rechne ich mit ersten Ergebnissen.

NS-Raubkunst: Neue Art der Kommunikation mit den Anspruchstellern

Im Zusammenhang mit der Raubkunstaffäre haben sich verschiedene Rechtsanwälte zu Wort gemeldet, die jüdische Erben vertreten. Immer gab es den Vorwurf, man würde an den Staatsgemäldesammlungen abprallen, erhalte keine Antwort.
Ich habe bereits zu den betreffenden Rechtsanwälten Kontakt aufgenommen, sie zu Gesprächen geladen und die eingeforderten Unterlagen übergeben. Es geht mir hier auch um eine neue Art der Kommunikation mit den Anspruchstellern. Ansonsten gilt es auch hier, die Untersuchungsergebnisse von Frau Hopp abzuwarten.

Könnte es dann im Herbst bereits gehäuft Restitutionen geben - sofern auch das Ministerium grünes Licht gibt?
Es finden regelmäßig Restitutionen statt, die aber nicht jedes Mal im großen Stil öffentlich gemacht werden.

Was ist denn mit Picassos Madame Soler? Der Fall scheint doch klar zu sein?
Da wartet der Freistaat Bayern die Entscheidung des künftigen Schiedsgerichts ab.

Wo hakt es, weshalb dauert es so lange, bis es zu einer Restitution kommt?
Zum Beispiel hakt es an der Erbenstellung. Wer bekommt das Objekt? Die Restitutionen erfolgen in vier Schritten, die man nicht überspringen kann. Tiefenrecherche, Restitutionsentscheidung, Erbenermittlung, Erbenstellung.

Man wird das Gefühl nicht los, dass sich da ein riesiger Berg an fragwürdigen Kunstwerken angesammelt hat, für deren Recherchen selbst ein vergrößertes Team Jahrzehnte bräuchte.
Deshalb finde ich es ja so schade, dass die Provenienzforschung an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in einem so schlechten Licht steht. An den Staatsgemäldesammlungen sind rund 6000 Gemälde geprüft und in ein Ampelsystem eingeordnet worden - aktuell 86 rot, also mit Handlungsbedarf, und 442 orange. Der internationale Standard für die sogenannte Tiefenrecherche liegt bei etwa 18 Monaten für ein Werk. National und international dürfte es kaum Vergleichbares geben. Was den Berg betrifft, braucht es noch weitere Strategien. Denn selbst bei zusätzlichen drei Stellen können Sie nicht damit rechnen, dass das 2030 abgeschlossen ist. Da hoffe ich sehr auf Meike Hopp!

"Es gibt an den Staatsgemäldesammlungen keine Strategie"

Zu Ihren 23 Bereichen im Kulturreferat haben auch Museen wie das Lenbachhaus gehört. Was ist an den Staatsgemäldesammlungen anders?
Ich wusste in sämtlichen Bereichen, was los ist und wo wir hinwollen. Um Ziele zu erreichen, habe ich Handlungsfelder formuliert, und wir hatten das Einvernehmen, dass die Einrichtungen darauf eingehen. Ein Thema war zum Beispiel die Stärkung der Demokratie. Dazu hat die Volkshochschule Veranstaltungen zu „75 Jahre Grundgesetz“ entwickelt. Bei den GmbHs gab es eine Mehrjahresplanung, damit ist klar, was personell und finanziell umgesetzt werden soll. Es gibt an den Staatsgemäldesammlungen keinerlei vergleichbare Strategie. Das hat mich irritiert.

Und die finanzielle Seite?
Die hat mich auch irritiert. Die Museen unter dem Dach der Bayerischen Staatsgemäldesammungen verfügen über keinerlei eigenes Budget. Bisher war ich mehr Selbstständigkeit gewohnt.

Mehr Ökonomie in den Museen

Nun sind Museen keine Konzerne, die man durchökonomisieren kann, aber was sollte sich unbedingt ändern?
Ich wünsche mir trotzdem mehr ökonomische Fragestellungen. Schließlich müssen wir sorgfältig mit den Steuergeldern umgehen. Nur ein Beispiel: Eine GmbH unterliegt klaren gesetzlichen Vorgaben. Sie haben eine mehrjährige Finanz- und Projektplanung, eine Kosten- und Leistungsrechnung sowie Budgettransparenz. Sie können eine solche Einrichtung gut steuern.

Sie plädieren also für eine Umwandlung der Staatsgemäldesammlungen in eine GmbH?
Hier sollten wir auf die Ergebnisse der Reformkommission abwarten.

"Wir haben nicht die Finanzen des MoMA"

Nun gibt es Häuser wie die Alte Pinakothek, die sich von selbst füllen, und andere wie die charmante Schackgalerie und sicher auch einige Zweiggalerien im Freistaat, die sich schwertun. Könnten schlechter besuchte Häuser künftig das Nachsehen haben?
Tatsächlich erreichen wir 1,5 Millionen Besucherinnen und Besucher im Verbund der gesamten Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Das heißt, an der Resonanz müssen sich die Museen messen lassen, und völlig am Interesse der Besucher vorbeizuplanen, macht keinen Sinn. Sicher müssen wir auch hier die Reformkommission dazu abwarten. Es ist allerdings zu bedenken, dass wir finanziell nicht aus dem Vollen schöpfen und uns nicht eins zu eins mit Einrichtungen wie dem New Yorker Museum of Modern Art vergleichen können. Dort gibt es ein ganz anderes Haushaltsvolumen.

Wie kann es dann gehen?
Uns muss es gelingen, durch Konzepte und Vermittlung weiterhin auf dieser hohen Ebene zu spielen. In die Alte Pinakothek strömen rund 400.000 Besucherinnen und Besucher. Wir haben im Verbund der Staatsgemäldesammlungen im Jahr rund 4600 Veranstaltungen und über 2000 Vermittlungsprogramme - bei einer schwierigen Finanzausstattung! Das funktioniert nur, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vier bis fünf verschiedene Hüte aufhaben und für ihre Sammlung brennen. Wir müssen gute Geschichten erzählen, das ist das A und O, und das kann man auch in der Schack-Galerie.

Sind Kunsthistoriker als Generaldirektoren ein Auslaufmodell? Oder plädieren Sie für eine Doppelspitze aus einer künstlerischen und einer kaufmännischen Leitung?
Ich glaube, eine Doppelstruktur wie bei der Oper oder dem Haus der Kunst ist sehr hilfreich. Wenn ich sehe, was ich hier abzuarbeiten habe, hilft mir meine juristische Ausbildung und dass ich etwas Verwaltungserfahrung mitbringe. Ich werde mich aber sicher nicht in das künstlerische Programm einmischen.

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