Nah am Tod: Das Leben der Gladiatoren

Viel Blut fließt in Ridley Scotts "Gladiator"-Filmen, und die ledernen Rockstreifen fliegen nur so durch die Luft. Auch die Rüstungen scheinen keine besondere Mühe zu machen, man hat mit dem Kampfcoach ja trainiert. Die historisch realen Gerätschaften sind allerdings so unfassbar schwer, dass jede Schauspielergewerkschaft sofort einschreiten würde.

Gladiatoren hatten schon mal 20 Kilo Rüstung zu schleppen
Das ist die vielleicht größte Überraschung in der Archäologischen Staatssammlung: In der neuen Ausstellung "Gladiatoren – Helden des Kolosseums" darf man exakt nachgebaute Helme und Schilde hochhieven, um beeindruckt in die Knie zu gehen. Bis zu fünf Kilogramm wog ein Kopf- und Gesichtsschutz, fast doppelt so viel ein Schild. Dann kamen bei den schwer gerüsteten Vertretern wie dem Murmillo oder dem Secutor noch Beinschienen hinzu und bei allen natürlich das namensgebende Schwert, auf Lateinisch "gladius".

Mit zwanzig Kilogramm Extragewicht durch die Arena zu rumpeln, kann man sich in Zeiten von Hightech-Sportequipment zwischen Kunststoff und Kohlefaser gar nicht mehr vorstellen. Entsprechend aufwendig war die Ausbildung in den Gladiatorenschulen, die es wie die Arenen oder Amphitheater nicht nur in den römischen Kernlanden am Mittelmeer, sondern im gesamten Imperium gab.
Überall im römischen Reich gab es Kampfarenen
Die Begeisterung für blutige Kämpfe zog sich seit dem ersten Jahrhundert nach Christus bis zum Rhein und zur Donau hinauf. Überall, wo Legionäre stationiert waren, wurde für Spiele gesorgt. Das betraf vor allem die größeren, immer mit derselben Infrastruktur angelegten Städte wie Trier, auch in Augsburg muss es ein Amphitheater gegeben haben. Und selbst bei ein paar Kastellen entlang des Limes hat man Überreste kleiner Arenen gefunden.

Im niederbayerischen Künzing, auf gut römisch Quintanis, gab es eine Anlage aus überwiegend Holz, die mit ihren rund 45 Metern Durchmesser immerhin 500 Besuchern Platz bot. Im Kolosseum in Rom kamen 100 Mal so viele unter. Die Miniversion südlich von Deggendorf hatte aber auch nur drei Sitz- und eine Stehreihe, während es im Kolosseum fast 50 Meter weit hinaufgeht. Wie im modernen Fußballstadion.

Für die Fans gab es Öllampen mit den Lieblingsgladiatoren
Ob man von einer frühen Form des Merchandising sprechen darf, sei dahingestellt. In Reichweite des Theaters in Künzing wurden jedenfalls Gefäße ausgegraben, die mit Waffen verziert sind oder mit Amoretten, die einen Gladiatorenkampf imitieren. Solche Darstellungen findet man auch auf Öllampen oder Fibeln, also ganz Alltäglichem, das Anhänger vergleichbar einem heutigen Maskottchen oder Schal in den Vereinsfarben leicht erwerben konnten.
Die Begeisterung kann man sicher mit der Fanhysterie unserer Tage vergleichen – bis hin zu Massenschlägereien. Genauso gab es in der Kaiserzeit Klubs oder zumindest Gruppen, die ihre Sympathien klar zum Ausdruck brachten, und zwar durch den Bezug auf Schildtypen: Die Anhänger der Gladiatoren, die mit "kleinem Schild" kämpften, wurden als Parmularii bezeichnet (parma - für kleines Schild), die Scutarii unterstützten dagegen die schwer bewaffneten Gladiatoren wie etwa die Murmillones.

Es durften auch nur bestimmte Typen gegeneinander antreten – mehr als zehn sind durch antike Texte und wenige Funde auszumachen. Darunter der gut vertretene Netzkämpfer (retiarius), der Angreifer (provocator) oder der Verfolger (secutor). Gladiatoren traten immer paarweise gegeneinander an, und nie in einem wilden Gemetzel, wie man es oft in Filmen sieht.
In Kampfpausen eilen Masseure in die Arena
Die Veranstalter hatten schließlich Interesse daran, dass ihre mühsam ausgebildeten Leute nicht nur einen Kampf bestritten. Deshalb war die medizinische Versorgung außerordentlich gut, und in den Pausen eilten Masseure in die Arena, um die Gladiatoren wieder fit zu bekommen.
Unterm Strich wurden die Männer trotzdem nicht alt, die Rede ist von durchschnittlich 27 Jahren – bei zwei bis drei Kämpfen im Jahr und einer Todesrate von zehn Prozent. Bei gutem Einsatz gab es für den Unterlegenen die Missio oder Begnadigung.
Gladiator? Ein Zwangsjob für Verbrecher und Sklaven
Eine solche Tortur tat sich kaum jemand freiwillig an, Sklaven und Verbrecher konnten dazu gezwungen werden. Für die ohnehin Todgeweihten war das wenigstens eine Chance, das Schicksal mit einiger Muskelkraft in die eigene Hand zu nehmen, um mit unfassbar viel Glück die Freiheit zu erlangen. Erfolgreiche Gladiatoren wurden wie Footballstars gefeiert, und die Groupies waren zahlreich. Skandale konnten da kaum ausbleiben, und es wird sogar von einer Senatorengattin berichtet, die mit einem Gladiator durchbrannte. Gerüchteweise soll der Sohn Marc Aurels aus der Affäre seiner Frau Faustina mit einem Arenakämpfer hervorgegangen sein.

Gnadenloser Drill
Dass der Jubel des Publikums die Verwundungen von Körper und Seele aufwog, darf man dennoch bezweifeln. Die an sich gesunde, eher fade Ernährung – vornehmlich vegetarisch mit viel Gerstenbrei und Bohnen – wird noch zum Angenehmsten gehört haben. Der Drill in den Gladiatorenschulen muss gnadenlos gewesen sein, irgendwann mit dem Schwert auf den besten Freund und Kameraden zu treffen, grausam.
Und das alles in der ständigen Angst, der nächste Kampf könnte schon der letzten sein. Diese Fatalität aber war 700 Jahre lang das Faszinosum für Millionen von Arenagängern - bis Flavius Honorius 404 nach Christus die Gladiatur verbot. Und seien wir ehrlich, dieser gewisse Thrill wirkt bis heute.
Ausstellung: "Gladiatoren – Helden des Kolosseums" bis 3. Mai 2026, Archäologische Staatssammlung München, Lerchenfeldstr. 2, Di bis So 10 bis 17, Do/So bis 19 Uhr.
Live-Gladiatorenkampf der Familia Gladiatoria Pulli Cornicinis am Sonntag, 23. November 2025, 15 Uhr, im Forum EG, keine Kosten
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