München hat noch viel Potenzial

Die Stadt platzt aus allen Nähten? Meint man. Der Architekt Florian Fischer sieht jedenfalls noch Lücken. Ansonsten spricht er mit der AZ über Qualität, Brummer und Bäume am falschen Platz
Christa Sigg |
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AZ: Herr Fischer, Sie sind gerade auf der Biennale. Ist das eine Quelle der Inspiration oder eher des Frusts – weil man sieht, was hier eh nicht verwirklicht werden kann?
FLORIAN FISCHER: Beides. Diesmal geht es aber weniger um konkrete Architektur, sondern um das Thema Common Ground, unsere gemeinsame Basis. In München wird das intensiv diskutiert. Die Bürger wollen an Entscheidungen mitwirken. Da sind Strategien für die Zukunft gefragt, mit der Planung von oben herab und dem langsamen Scheitern der Moderne sind wir nicht wirklich weit gekommen.

Wenn Sie München im Vergleich betrachten – wie schneidet die Stadt ab?
München, denke ich, liegt irgendwo im Mittelfeld. Es ist nicht so glanzvoll wie Hamburg, da entstehen nochmal ganz andere Dinge. Wir haben hier den letzten großen Wurf 1972 mit dem Olympiastadion gehabt, das ist einfach so. Sicher gibt es unter anderem zwei hervorragende Entwürfe von Herzog & De Meuron: Die Fünf Höfe sind mit ihren Passagen und Fassaden vorbildlich für eine Ergänzung in der Kernstadt, und dann ist da noch die leider viel zu wenig bekannte Sammlung Goetz. Dagegen kann man mit dem Coop Himmelb(l)au-Entwurf der BMW Welt gar nicht zufrieden sein. Das sollte eine schwebende Wolke werden – stattdessen entstand ein schwerer Brummer. Grundsätzlich ist die Qualität hier in Ordnung, ganz abgesehen vom Wohnungsbau, wo wir in München nichts Innovatives auf die Beine stellen können.

Bei diesen irrwitzigen Grundstückspreisen geht die Fantasie auf Tauchstation.
Sicher, da ist dieser gesättigte Wohnungsmarkt, der sich immer noch verschärft. Es entsteht ja auch keine wirkliche Konkurrenz mehr, man bekommt doch alles los.

Nehmen wir den Arnulfpark.
Da gibt es richtig hässliche Architektur – aber auch sehr gute. Es entsteht eine fabelhafte Schule von ganz jungen Kollegen. Aber das Problem Arnulfpark resultiert daraus, dass man einen Einheitsbrei mit vorstädtischem Charakter und relativ geringer Urbanität – also fast nur Wohnungen, davon zuwenige, kein Gewerbe, keine Restaurants – direkt an die Bahn gesetzt hat.

Müsste München denn noch dichter werden?
Die Stadt hat in ihrem Inneren noch viel Potenzial.

Bedingt das nicht eher hohe Bauten?
Das wäre ein probates Mittel. Aber wenn man München von oben betrachtet, sieht man erst, wie groß viele unserer Innenhöfe sind, welche Lücken sich immer noch auftun. Da könnte man baulich relativ viel bewegen, ohne gleich in die Luft zu gehen. Ich denke aber auch an drei- bis viergeschossige Bauten, etwa vor der Jahrhundertwende. Die stehen zwar unter Denkmalschutz, haben aber keinen wirklichen Wert mehr.

Sie haben Ihr Büro mitten im Kunstareal. Wie kann das Museumsquartier endlich ein Profil entwickeln?
Das Zentrum des Kunstareals sollte gestärkt werden. Dann muss die Anbindung an die Innenstadt erfolgen, aber da kann man wohl nur einen Kompromiss eingehen. Auch die Achse Hauptbahnhof-Arcisstraße funktioniert nicht wirklich. Überhaupt müsste der Verkehr umgeleitet oder reduziert werden. Und die Museen sind erstaunlich isoliert. Es gibt kein wirkliches Leben davor.

Die Schotterebene vor der Pinakothek der Moderne ...
... ist fatal. Auch die Parkplätze vor der Alten Pinakothek müssten weg.

Aber das hat doch schon wieder etwas Städtisches.
Noch wichtiger wäre es, die Bäume endlich zu kappen. Vor der Alten Pinakothek gab es früher kultivierte Bäume, keine Riesen. Sie übersehen das Gebäude, wenn Sie dran vorbeifahren. Überhaupt müsste der öffentliche Raum im Quartier intensiver genutzt werden, dann kommen die Leute auch einfach so vorbei. Man hat hier solche Angst vor guten steinernen Plätzen. Auch vor der Filmhochschule (HFF) haben wir wieder eine Riesenwiese, da werden Hunde Gassi geführt, und es gibt Trampelpfade – das Resultat von einem falsch verstandenen Bedürfnis nach Grün, das sich in der Stadt eigentlich auf Parks konzentrieren sollte. Die brauchen wir dringend, aber vor einem solchen Gebäude sind sie denkbar ungeeignet. Auch vor der Pinakothek der Moderne schafft dieser Rasenrahmen doch nur Distanz. Vor der Alten Pinakothek dagegen funktioniert er.

Da wird Fußball gespielt...
Und die Leute sonnen sich. Vor der HFF wird das nie passieren. Auch vor der Pinakothek der Moderne passiert schon viel zu lange nichts. Dagegen gehe ich gerne um die Neue Pinakothek, auch wenn sie angefeindet wird. Das Drumrum hat Flair, es gibt ein Restaurant, das abends offen hat. Vor die dritte Pinakothek werden bei gutem Wetter Bierbänke gestellt – also bitte!

Und man kann unter Kastanien zur HFF rüber schielen.
Das Gebäude bildet einen regelrechten Riegel. Musikhochschule, NS-Dokumentationszentrum, Königsplatz, alles wird abgetrennt – städtebaulich ist das eine Katastrophe.

Der Anbau am Lenbachhaus?
In der Stadtgestaltungskommission haben wir lange über den Foster-Bau diskutiert. Bei der Fassade, die stark auf den Platz ausstrahlt, hat man versucht, eine zeitgenössische, eigenständige Antwort zu finden. Die kann man sicherlich vertreten. Draufhauen ist immer leicht, besser machen schwer. Aber die Vergabe des Auftrags war sicher nicht korrekt.

Noch etwas Versöhnliches?
Die Sammlung Brandhorst. Da liegt der Eingang zwar auf der falschen Seite, aber das Haus selbst ist ein funkelnder Edelstein neben dem schlichten Grau der Pinakothek der Moderne. Das Brandhorst tritt in einen schönen Dialog mit der Stadt. Und Sauerbruch Hutton haben ja auch das wunderbare Gebäude für den ADAC entworfen, das ist jetzt schon ein Wahrzeichen.

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