Luftig, licht und mächtig poliert
Von seinem „Schatzkästlein” schwärmt Helmut Friedel schon seit Monaten – nach vier Jahren Bauzeit wird es sich morgen endlich für alle öffnen. Und geht man von den Kunsthungrigen aus, die in den letzten Wochen mehr oder weniger hartnäckig versucht haben, ins Lenbachhaus zu gelangen, könnte der Besucheransturm gewaltige Ausmaße annehmen.
Man sollte gewappnet sein, durch die 2006 vom Stadtrat beschlossene Generalsanierung der Künstlervilla samt Neubau erweitert sich die reine Ausstellungsfläche um 300 auf 2800 Quadratmeter. Im Atrium, das von der Spirale des Dänen Olafur Eliasson dominiert wird, ist Platz für mäandernde Warteschlangen.
Direkt zum Blauen Reiter
59,4 Millionen Euro hat das vom Team des Stararchitekten Norman Foster geplante Projekt verschlungen – das Budget wurde nicht überschritten. Und wer durch die Räume geht, gewinnt keineswegs den Eindruck eines Abspeckprogramms. Im Gegenteil: Luftig, licht und überschaubar präsentieren sich Villa und Foster-Quader, auch wenn die Übergänge nicht immer glücklich geraten sind, andererseits wird nichts überspielt.
Ein Fall für Entdecker war die alte Lenbachvilla mit all ihren Winkeln. Und wer Lovis Corinths Selbstbildnis oder Joseph Beuys’ „Zeige deine Wunde“ mal auf die Schnelle anpeilen wollte, konnte nicht immer sicher sein, ohne Umschweife ans Ziel zu kommen. Vom Foyer im Foster-Neubau aus kann man nun die einzelnen Sammlungsbereiche direkt ansteuern: die weltweit wichtigste Kollektion zum „Blauen Reiter“, das 19. Jahrhundert, die Kunst nach 1945 und den durch die Schenkung des Münchner Verlegers Lothar Schirmer gut gefüllten Beuys-Trakt im Ateliergebäude.
Lange Raumfluchten, intime Kabinette
Nach wie vor in der Villa untergebracht sind das 19. und frühe 20. Jahrhundert. Wer sich zu Kobell, Spitzweg, den Leibl-Leuten und neuerdings Franzosen wie Courbet (bedingt durch die Heilmann-Stiftung) begibt, passiert auf dem Weg Geckiges von Erwin Wurm – man mag das als Auflockerung betrachten. Am Ziel vermitteln die langen Raumfluchten elegante Großzügigkeit, in den einzelnen Kabinetten entsteht eine Intimität, die Porträts und mittelformatigen Landschaften ganz besonders behagt. Gerhard Richter mischt sich dazwischen, das bildet eine formidable Abwechslung – überhaupt ist die Hängung so anregend wie gelungen.
Im Neubau sind die Vertreter des „Blauen Reiter“ in sinnfälligen Kombinationen zusammengeführt, Marc und Macke, dazwischen auch mal Neue Sachlichkeit, dann die weiteren Verdächtigen von Chefdenker Kandinsky – die Highlights vor schwarzer Moiréseide – bis zu dessen Gefährtin Gabriele Münter oder Jawlensky und feingliedrigem Klee. Mal drängt sich die Wandgestaltung auf, meistens hält sie sich dezent zurück in Maisgelb, Flieder, Hellblau.
Grandios geraten ist die neue Beleuchtung in der Konzeption von Dietmar Tanterl: Ob gefiltertes Tages- oder LED-Licht vermag das Auge nicht zu unterscheiden. Roman Opalkas hyperdezente Zahlenreihen kommen hier so famos zur Geltung wie Gerhard Richters flirrende Farbigkeit.
Und schenkt man den Prognosen der Architekten Glauben, wird die oft bekrittelte Goldhülle mit der Zeit matter und irgendwann mit dem Ocker der Villa verschmelzen. Sei’s drum. Direktor Friedel wird seinem Nachfolger Matthias Mühling neben der beachtlichen Sammlung einen gut bespielbaren Museumskomplex hinterlassen.
Das neue Lenbachhaus öffnet am Mittwoch, 8. Mai 2013. Dann kann das Museum bis Sonntag, 12. Mai, von 10 bis 22 Uhr - bei freiem Eintritt besucht werden. Ab 14. Mai ist täglich außer montags von 10 bis 20 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 10, ermäßigt 5 Euro, die Jahreskarte kostet 20 Euro. Mehr auf www.lenbachhaus.de
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