Kunstausflug nach Penzberg: Flower Power und Pop-Art von Sister Corita Kent
Sie wurde berühmt als Pop-Art-Nonne. Jedenfalls in den USA. Kein Wunder, trat Corita Kent (1918-1986) doch schon mit 18 Jahren in den katholischen Orden "Immaculate Heart of Mary" in Los Angeles ein. Sie kam in den 60er Jahren mit farbenprächtigen Druckgrafiken in der Kunst- und Gestalter-Szene zu Bekanntheit und hüllte sich dabei zugleich in einen schwarz-weißen Habit als Ordensfrau.
Das nahe liegende, aber recht oberflächliche Etikett "Pop-Art-Nonne" vernebelt jedoch den Blick auf eine der innovativsten, provokativsten und vielseitigsten Pop-Art-Künstlerinnen. Unterstützend wirkte dabei möglicherweise auch noch das traditionelle Frauenbild, in dem die "Braut Christi" natürlich besonders schlecht wegkommt.
Spirituell und modern: Corita Kent als Nonne
Die Newsweek titelte jedenfalls 1967 in ihrer Weihnachtsausgabe: "Die Nonne wird modern" ("The Nun: Going Modern") und zeigte eine lachende Corita Kent auf ihrer Frontseite. Das würde heute nicht mehr als politisch korrekt durchgehen. In der Zeit der sexuellen Revolution hatte genau die Spannung zwischen Keuschheit und Kunst seinen Reiz.

Seriös und facettenreich wird die hierzulande ziemlich vergessene Künstlerin, Lehrerin, Philosophin und politische Aktivistin im Museum Penzberg präsentiert. In einer faszinierenden und gut gegliederten Ausstellung unter dem Titel "Where have all the flowers gone" lässt sich das Phänomen der spirituellen Corita Kent anschaulich nachvollziehen.
Ihr Leben in und außerhalb des Konvents als auch ihr künstlerisches Schaffen sind auf mehrere Etagen verteilt in verschiedenen Kapiteln zu erleben. Besonders eindrucksvoll: ein etwa halbstündiges Video. In diesem Original-Clip erklärt Sister Corita, was sie antrieb. Zufall war es nicht. Von Kindheit an liebte sie die Kunst und Gott – aber nicht nur Vater-Unser betend und fromme Lieder singend.
Flower Power und die Folterinstrumente Jesu
Sie wollte die Botschaft Jesu, die Botschaft des Mitgefühls, in die Welt tragen. So wandte sich ihre farbenprächtige Pop-Art gegen Rassismus, Krieg und Gewalt. Damit war sie an der kalifornischen West-Coast, der Heimat der friedensbewegten Hippies und Flower-Power-Generation, gut aufgehoben.
In ihrem Frühwerk widmete sie sich zwar noch der Jungfrau Maria, die als Symbol des Mitgefühls in den Bildern zur Identifikationsfigur wird. So durchbohren etwa Marias Herz sieben Schwerter, die die sieben Schmerzen versinnbildlichen. In der Serigrafie "Passion" stellt Corita Kent Nägel, Leiter, Peitsche und das Zeichnen INRI dar. Nicht etwa den üblichen, kaum noch aufrüttelnden Jesus am Kreuz, sondern die ihn marternden (Folter-)Gegenstände.

Als sie 1962 in einer Galerie Andy Warhols "Soup Cans" entdeckte – die Drucke mit den Campbell Dosen –, änderte sich bei ihr alles. Fortan füllte sie ihre Werke mit Schrift, mit eindeutigen politischen und gesellschaftlichen Botschaften. Genau das, was Kritikern an den Warhol-Werken mitunter fehlt. Sie integrierte Wörter und kurze Texte in ihre Druckgrafiken. Dieses serielle Medium wählte sie auch, weil es einfach zu verbreiten und deshalb demokratisch ist.
Ein anschauliches Beispiel ist das plakative Motiv "that they may have life" von 1965. In großen roten serifenlosen Lettern liest man "Enriched Bread". Der Hintergrund erinnert sowohl an das Sternenbanner als auch an die Verpackung des in den 50er Jahren amerikanische Supermärkte flutenden "Wonder Bread", das aufgeschnitten und angereichert ist und der Werbung nach "hilft, einen starken Körper zu bekommen". Das Wunder wurde aber nicht immer und überall wahr. Im integrierten Text schildert die Frau eines Bergarbeiters von dort, wie schwierig es war, fünf hungrige Kinder zu ernähren.
Kent imponierte sogar Alfred Hitchcock
Ähnlich scharf agierte Corita Kent gegen Krieg und kommentierte soziale Kämpfe. Die Zeit war auch bewegt: Kalter- und Vietnam-Krieg beherrschten die Schlagzeilen, der erste katholische US-Präsident John F. Kennedy versprach Aufbruch und Johannes XXIII. startete das Zweite Vaticanum. Und Kalifornien war das Dreamland für Aussteiger. Auch für Corita Kent.

Sie lehrte auch an der Kunsthochschule des Ordens und begeisterte dort ziemlich illustre Anhänger: etwa John Cage, Ray und Charles Eames, Buckminster Fuller oder Alfred Hitchcock. Ihr Unterricht wurde zu einem Mekka der Avantgarde. Und die von ihr aufgestellten "10 Regeln für Studenten, Lehre und Leben" beachtet man heute noch. Den Orden verließ sie 1968 zusammen mit vielen anderen Nonnen und zog nach Boston.
Museum Penzberg, bis 17. November, Mi bis So: 10 - 17 Uhr (eine informative 30-seitige Broschüre kostet 4 Euro), museum-penzberg.de, mit der Bahn in 50 Minuten vom Münchner Hauptbahnhof
- Themen: