Klimt-Schönheit auf Rekordkurs
Sie ist ein typisches Klimt-Wesen mit einem Teint wie aus Porzellan - und doch war die schöne Elisabeth Lederer selten öffentlich zu sehen. Seit ein paar Wochen sorgt die junge Frau allerdings für Gesprächsstoff, und wie es ausschaut, wird sie am Dienstag eine Sensation bescheren: 150 Millionen Dollar und mehr könnte das „marktfrische“, also noch nie versteigerte Porträt bei Sotheby’s einbringen. Erst vor zwei Jahren kam Klimts letztes Bildnis einer unbekannten Dame mit Fächer auf 108 Millionen Dollar.
Aber Rekorde sind da, um geknackt zu werden. Und das fast zwei Meter hohe Gemälde aus dem Nachlass des im Juni verstorbenen Estée-Lauder-Erben Leonard A. Lauder hat alles, was Sammler mächtig anstachelt: Die aus dem Fernen Osten, weil Klimt dort ohnehin Kultstatus hat und die Dargestellte von asiatischen Motiven umgeben ist. Westliche Sammler, weil das Gemälde aus der Hochphase Klimts zwischen 1912 und 1917 eine tragische, verrückte Geschichte hat.
Die Lederers sind die wichtigsten Mäzene des Malers
Zwei Jahre vor dem Tod hat der Maler die Tochter seiner bekanntesten und wichtigsten Mäzene porträtiert. Der Großindustrielle August Lederer und seine Frau Serena waren Klimt sehr verbunden, egal, mit welchen Anfeindungen er sich in Wien gerade wieder herumzuschlagen hatte. So baute das jüdische Ehepaar um die Jahrhundertwende die größte Klimt-Sammlung überhaupt auf. Dass der Künstler 1899 bereits Serena gemalt hatte, kommt also nicht von ungefähr.

Klimt hadert heftig bei den Porträtsitzungen
Die Beziehung zwischen Klimt und den Lederers war jedenfalls so eng, dass Tochter Elisabeth sogar vom „Onkel“ Gustav sprach. Schier endlos hatte sie in den Jahren zwischen 1914 und 1916 Modell zu stehen, und Klimt muss heftig gehadert und den Bleistift mehrmals weggeworfen haben. Man dürfe keine Leute porträtieren, die einem zu nahe stünden, soll er bemerkt haben. Entsprechend oft korrigierte er sich - bis Serena Lederer das Bild aus dem Atelier „entführte“ und im heimischen Salon an der Bartensteingasse aufhängte.
Lebensrettung: Aus „Onkel“ Gustav
wurde der Papa
Weshalb Serena so wütend war? Auch über ihr Verhältnis zu Klimt wurde in Wien getuschelt. Das muss freilich nichts heißen, hat ihrer Tochter aber letztlich das Leben gerettet.
Denn um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen, ließ Elisabeth 1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs, den Künstler offiziell und im Einvernehmen mit ihrer Mutter als leiblichen Vater anerkennen. Als Halbjüdin „durfte“ sie in Wien blieben, während der Rest der Familie emigrierte. Doch das Leid nahm kein Ende, denn ihr Mann, Baron Bachhofen-Echt, für den sie zum Protestantismus konvertiert war, trennte sich von ihr, und dann starb auch noch ihr kleiner Sohn.
Wie aus dem Nichts taucht das Bild nach dem Krieg wieder auf
Die Nazis beschlagnahmten große Teile der Sammlung Lederer, darunter das Bildnis Elisabeths, und vieles ist bis heute verschwunden. Zehn Gemälde Klimts sollen am letzten Kriegstag im niederösterreichischen Schloss Immendorf verbrannt sein, die Familienporträts der Lederers wurden - wohl aufgrund ihrer jüdischen Herkunft - getrennt gelagert.
Wie aus dem Nichts ist das Bildnis Elisabeths 1948 wieder aufgetaucht und anonym ans Wiener Kunsthaus Dorotheum eingeliefert worden. Doch kurz vor der Versteigerung wurde es zurückgezogen und ihrem Bruder übergeben, Elisabeth war 1944 den Folgen eines Hirntumors erlegen.
Die Lauders pflegen ein Faible für Klimt
Das Werk blieb fortan in Privatbesitz und ging 1985 an Leonard Lauder, dessen jüngerer Bruder Ronald das berühmte „Bildnis Adele Bloch-Bauer I“ von 1907 besitzt. Um dieses 1941 von den Nazis konfiszierte Hauptwerk der goldenen Phase Klimts gab es einen jahrzehntelangen Kampf - bis es 1998 von der Galerie Belvedere endlich restituiert wurde. Lauder erwarb die Arbeit sechs Jahre später, die Rede war von 135 Millionen Dollar, die er bezahlt haben soll. Elisabeth Lederer dürfte also locker drüber liegen.

Unter den Hammer kommen außerdem zwei Klimt-Landschaften - „Waldhag bei Unterach am Attersee“ (erwartet werden mindestens 70 Millionen Dollar) und „Blumenwiese“ (80 Millionen Dollar). Dazu Gemälde von Edvard Munch und Agnes Martin sowie Bronzen von Henri Matisse.
Sotheby‘s zieht ins ehemaligen Whitney Museum
Mit der Auktion eröffnet Sotheby’s das neue New Yorker Hauptquartier in dem vom Bauhaus-Lehrer Marcel Breuer entworfenen Breuer Building an der Madison Avenue. Dort war bis 2015 das Whitney Museum of American Art untergebracht.
Bleibt zu hoffen, dass Elisabeth Lederer nach der Versteigerung öffentlich sichtbar bleibt und nicht in irgendeinem Tresor oder in den Depots eines Freihafens landet.
- Themen:



