Kritik

Im Sog fließender Wesen

Im Kallmann-Museum in Ismaning beeindruckt die farbstarke Malerei der polnischen Künstlerin Aneta Kajzer.
Roberta De Righi |
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Ein Quadratmeter Farbe und schwimmende Formen: Aneta Kajzers "Dreamland" von 2020.
Ein Quadratmeter Farbe und schwimmende Formen: Aneta Kajzers "Dreamland" von 2020. © Kajzer und Galerie Conrads, Berlin

Ismaning - Ein überlebensgroßes Clownsgesicht fletscht lächelnd seine Zähne - will man lachen oder lieber weglaufen? Die unheimliche Witzfigur ist ein großformatiges Bild der diesjährigen Kallmann-Preisträgerin Aneta Kajzer und derzeit im Ismaninger Kallmann-Museum zu besichtigen.

Zwischen Abstraktion und Figuration

Ihre farbstarke Malerei schillert zwischen Abstraktion und Figuration und aktiviert den suchenden Blick. Man findet Kleckse, die an Augen erinnern, Striche wie Münder oder Schnäbel und Pinselschwünge wie Gliedmaßen geschlechtsloser Körper, die sich insgesamt zu "Fließenden Wesen" formieren. So lautet auch der Titel der Schau, in der die 1989 in Kattowitz geborene Malerin 26 Acryl- und Ölgemälde präsentiert, die seit 2018 entstanden.

Die polnische Malerin und Kallmann-Preisträgerin Aneta Kajzer.
Die polnische Malerin und Kallmann-Preisträgerin Aneta Kajzer. © Kallmann-Museum

Malen ohne Vernunftkontrolle

Kajzer studierte an der Mainzer Kunsthochschule und lebt und arbeitet inzwischen in Berlin. Intuitiv beginnt sie zu malen, die Leinwand auf dem Boden. Im Gestus wie beim Informel, im Prinzip ähnlich der écriture automatique, so dass sich die Hand mit dem Pinsel zunächst ohne Vernunftkontrolle bewegt.

Ungreifbare Farbformen

Ob in "Badesaison", "Nightswimming" oder "Du steckst tief drin", häufig tauchen Kajzers Geschöpfe aus einer ursuppenartigen Flüssigkeit auf. Daraus entstehen ungreifbare Farbformen, in denen man zu gerne Wesenhaftes erkennen will. Ob tierische oder menschliche Kreaturen, bleibt vage, doch grundsätzlich ist die gegenständliche Konnotation keine Laune des Betrachters, sondern gewollt.

Niedlich und böse zugleich

Farben wie Blau und Lila schaffen eine düstere Atmosphäre, während helle Grundfarben für heitere Stimmung sorgen. Die Titel, geschöpft aus dem weiten Feld der popkulturellen Gegenwart, sind ebenfalls assoziativ und kommen erst zum Schluss dazu. Die Körper bleiben undefiniert oder wirken deformiert, die Köpfe Comic-artig. Niedlich und böse zugleich, so wie in "Cyborg Toys" oder "Dreamland". Und in "Out of the Dark" kann die Fratze ebenso an eine Hexe erinnern wie an eine Figur aus Entenhausen.

Bezug zu Hans Jürgen Kallmann

Wenn man sich bewusst macht, dass der Kallmann-Preis seit 2018 für die Sparten Landschaft, Tier und Porträt vergeben wird, wird Kajzers Malerei in Bezug zum Werk von Hans Jürgen Kallmann (1908-91) umso spannender. Darum ist der Weg nach nebenan, zu den Porträtköpfen der Bundesrepublik, die der Museumsgründer seit den 1950er Jahren schuf, erhellend.

BRD-Macher - gemalt von Kallmann

Ob Adenauer und Strauß oder Banker und Industrielle wie Hermann Abs, Berthold Beitz und Hans-Martin Schleyer, aber auch Brecht und Hochhuth. Der Männer-Club der BRD-Macher ist historisch so relevant wie er heute befremdlich wirkt. Kallmann jedenfalls malte sie alle. Im Museum sind davon nur Pastellstudien geblieben, die Gemälde bekamen die Auftraggeber.

Eindrucksvolle Pastell-Konterfeis 

Doch gerade in der Konzentration auf Ausdruck und Charakteristika sind die Pastell-Konterfeis eindrucksvoll. Der Kontrast zu Aneta Kajzers "Fließenden Wesen" könnte indes kaum größer sein. Umso bemerkenswerter, dass durch den Preis Kallmanns Vermächtnis in der Gegenwartskunst lebendig wird.

Kallmann-Museum Ismaning, Schloßstraße 3B, bis 29. Januar 2023, Dienstag bis Samstag von 14.30 bis 17, sonntags von 13 bis 17 Uhr, www.kallmann-museum.de

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