"Ich liebe Horrorfilme!"

Cindy Shermans Schocker „Office Killer” wird am Freitag im Rahmen des Festivals „Kino der Kunst” gezeigt – ein AZ-Gespräch über Verkleidung, Demaskierung und den Spaß am Schrecken
Christa Sigg |
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Sie ist ein schüchternes Persönchen. Zierlich bis in die blonden Haarspitzen und viel attraktiver, als man vermutet. Cindy Sherman verstärkt die eh schon hochkarätige Jury des Festivals „Kino der Kunst” (siehe auch Seite 20), und es dauert ein bisschen, bis die Künstlerin ihre Scheu verloren hat. Dann aber plaudert sie offen, humorvoll – und ist das Gegenteil all der bitter ernsten Frauen, in die sie sich dauernd verwandelt, um vor der eigenen Fotokamera zu posieren.

AZ: Darf ich mal an Ihr Gesicht fassen?
CINDY SHERMAN: Äh, wie?

Sind Sie wirklich Cindy Sherman, oder haben Sie einfach die Maske eines typischen Jury-Mitglieds aufgesetzt?
Ja, ja, die Leute sind wahnsinnig neugierig, wie ich wirklich aussehe. Aber ich sollte jetzt versuchen, wie eine Jurorin auszusehen. Ich krame gleich mal in meiner riesigen Tasche nach einer Maske.

Sie müssen jetzt fast 60 Filme gucken, ein Marathon!
Das gehört dazu. Ich war schon in zwei anderen Film-Jurys, und jedes Mal war es ein faszinierendes Erlebnis. Das inspiriert ja auch meine eigene Arbeit. Aber glücklicherweise sind die meisten Filme kürzer als eine halbe Stunde...

Können Sie sich vorstellen, dass die Kunst wirklich irgendwann im Kino landet?
Aber nein, das wäre doch viel zu begrenzt.

Sind diese Künstler-Filme, wie sie hier vor allem zu sehen sind, nicht oft eine Dekonstruktion des Kinos? Etwa, weil wir wie bei Julian Rosefeldt dessen Mechanismen vorgeführt bekommen?
Nicht unbedingt. Die hier gezeigten Filme entsprechen eben nicht unseren üblichen Erwartungen, sie beschäftigen sich vielmehr mit unserem Bildverständnis. Das sind wir vom Fernsehen oder aus dem Mainstream-Kino nicht gewohnt. Es ist eben experimenteller, Dekonstruktion bildet da aber die Ausnahme.

Morgen läuft Ihr einziger Film „Office Killers”. Würden Sie gerne mehr drehen?
Ja! Aber das sage ich seit zwölf Jahren. Ich habe die ganze Ausrüstung und sollte mir einfach mal über ein Konzept Gedanken machen.

In Ihrem fotografischen Werk, verschwinden Sie hinter vielen verschiedenen Frauen. Geht es letztlich doch um Cindy Sherman?
Nein, wirklich nicht.

Aber es sind immer Sie, die unter den Masken steckt.
Ich bin davon überzeugt, dass ich mich selbst am besten in exakt die Position bringen kann, die mir vorschwebt und die ich für eine Arbeit brauche. Früher habe ich schon mal mit Freunden und der Familie experimentiert, auch mit Models, aber ich bin keine gute Antreiberin und kümmere mich viel zu sehr darum, dass sich alle wohlfühlen.

Sie sind einfach zu nett.
Ja, und alle sollen gut unterhalten sein. Das führt nicht zum Ziel. Mit mir selbst kann ich ganz anders umgehen, ewig probieren, den richtigen Moment abpassen. Egal wie lange ich brauche.

Die Frauen, die Sie darstellen, sind oft deutlich älter als Sie.
Ach, ich hole langsam auf. Aber es ist natürlich leichter, älter als jünger auszusehen. Wenn Sie wissen, was ich meine.

Einerseits demaskieren Sie diese Frauen, stellen sie bloß, andererseits hat man mit ihnen Mitleid
Stimmt, mir geht das auch so.

Diese traurigen Augen!
Ich kann meine Augen aber leider nicht verkleiden.

Sind Sie eigentlich zufrieden mit Ihrem Aussehen?
Hmmmm. Die meisten Frauen sind mit sich unzufrieden, und ich gehöre absolut zu dieser Gruppe. Es geht doch dauernd so: Ach wäre ich jünger, ach hätte ich weniger geraucht! Und die Tränensäcke...

Ist diese Unzufriedenheit ein Antrieb für Ihre Arbeit?
Sicher, das inspiriert meine Arbeit, ich beziehe mich auf diese Frauen ja auch als Aspekte meiner selbst.

In Interviews sagen Sie oft, dass Sie nicht provozieren wollen. Aber schockieren?
Ich finde meine Bilder nicht schockierend, sondern eher lustig. Sie müssen wissen, ich liebe Horrorfilme! Die unterhalten mich bestens, ich kann da vor lauter Lachen gar keine Angst bekommen.

Je mehr Blut spritzt, desto lustige wird’s?
Ja. Manchmal ist das doch so übertrieben, denken Sie an „Django Unchained”: Dieser Film hat mich unsäglich amüsiert. Das ist wie mit der Aufregung in der Achterbahn. Wir wissen doch, dass nichts passieren kann. Also: Alles nur Fake!

Ist Horror denn auch ein Mittel, Menschen zu öffnen?
Absolut. Mir geht es ja auch nie um das klassische Schönheitsideal. Damit beschäftigen sich schon zu viele Künstler. Ich möchte lieber interessante Dinge finden, und Horror basiert einfach auf einer anderen Art von Schönheit.

Ihre Arbeiten werden immer wieder als pornografisch missverstanden.
Wirklich?

Jetzt tun Sie nicht so.
Natürlich ist sexuelle Metaphorik im Spiel, aber das hat nie mit Erotik zu tun. Ich spiele mit der Idee von Erotik, wende das allerdings auf den Betrachter um, der sich dann durchaus als Voyeur vorkommen kann.

„Office Killer”, Hochschule für Fernsehen und Film, Audimax, Freitag, 26. April 2013, 22 Uhr

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