Skater-Bahn und bemalbare Wände: Das Haus der Kunst wird zur Spielwiese für Kinder
Im Ausstellungshaus am Englischen Garten macht man keine halbe Sachen. Wenn man mit der neuen Ausstellung "Für Kinder. Kunstgeschichten seit 1968" für ein jüngeres Publikum noch attraktiver werden will, dann mit maximalem Aufwand: Die gesamte Ostgalerie des Hauses der Kunst ist jetzt quasi eine riesige Spielwiese. Die Ost-Terrasse zum Eisbach hin wurde zur gleißenden Skater-Bahn, entworfen von Koo Jeong A, die zur Hälfte indoor ins Haus führt.
Eine hölzerne Plattform erweitert umgreifend den Sockel und lädt zum Verweilen ein. Weil das halb-staatliche Haus keine eigene Sammlung, allerdings dafür einen vergleichsweise stattlichen Etat hat, der im Bereich der Vermittlung zuletzt mit Mitteln der Beisheim-Stiftung im Rahmen von "Dritte Orte" erweitert wurde, kann man sich das dort leisten.
Seit drei Jahren wurde an dem Konzept gefeilt, mit Arbeiten "für und mit, aber nicht über Kinder" wie Emma Enderby aus dem mehrköpfigen Kuratoren-Team deutlich macht. Seit Herbst gibt es zudem einen "Jugendbeirat", der in alle Aktivitäten einbezogen ist.
Man wolle "Kunstgeschichte neu erzählen" und Randfiguren in die Mitte holen, so Haus der Kunst-Chef Andrea Lissoni. Dafür hat unter anderem Sabine Brantl spannendes Archivmaterial über KEKS ausgegraben, eine Gruppe von Kunsterziehern, die um 1970 in München die Kunstvermittlung mit Aktionen im öffentlichen Raum aufmischten.
Kunst zum Mitmachen
Nun ist die Schau mit Werken von mehr als 20 Künstlerinnen und Künstlern fertig, deren Ansätze und Medien so vielfältig wie ihre Herkunft sind. Viele regen zur Interaktion oder zum Eintreten ein, einige wurden eigens geschaffen und sind Ergebnis von Workshops. Andere stammen aus Archiven, entstanden einst etwa für die eigenen Kinder wie die Harun Farockis filmisch erzählende "Bedtime Stories".
Bereits am Eingangsportal murmelt Bruce Nauman unentwegt in der Sound-Installation "For Children". Die große Mittelhalle ist dann bereits eine gigantische Kinderzeichnung. Nach dem Konzept von Ei Arakawa-Nash dürfen hier (auf einer Schutzschicht) Wände und Boden von Kindern bemalt werden.

Im ersten Ausstellungssaal macht die Gegenüberstellung mit im Video dokumentierten Straßen-Aktionen von Ana Mendieta und Lygia Pape und der neuen interaktiven Klang-Station von Tarek Atui, dass Kunst keine Einbahnstraße ist. Atui lässt allerlei wundersame Klänge entstehen, die man mit den sichtbaren Objekten nur bedingt in Einklang bringt. Sein "Band Camp" basiert auf Experimenten, die der in Paris lebende Künstler während Corona mit der Klasse seines Sohnes umsetzte. Im November wird er auch hier einen Workshop geben.
Das Museum als Rückzugsort
Rachel Rose entführt in die wundersame Welt ihres Animationsfilms "Lake Valley", Afrah Shafiq in das Video-Game "Nobody knows for Certain"; beide bieten visuell betörende Geschichten. Ernest Neto wiederum hat - nah an älteren Arbeiten von Lygia Clark und Lea Lublin - einen begehbaren Mutterleib geschaffen, in dessen Inneren man weich einsinken oder ins Bällebad eintauchen kann.

Es ist ein interessanter Wandel, der den Kunstbetrieb seit Corona erfasst hat: Ging es früher oft darum, Abgründe, Ungleichheit, Unrecht und andere Ungeheuerlichkeiten sichtbar zu machen, so wird das Museum in einer entsicherten Welt zum Rückzugsort, an dem Gemeinschaft und Solidarität beschworen und das eigene Erleben in den Mittelpunkt gerückt wird.
Nicht alles ist dabei so kuschlig wie bei Neto. Basim Magdy etwa lehrt mit seiner unmöglichen Tischtennis-Version "Pingpinpoolpong", heiter zu scheitern. Am eindrucksvollsten aber ist, in Ansatz und Ergebnis, Rivane Neuenschwanders Arbeit: In ihren Workshops zu "The Name of Fear" regt sie Kinder und Jugendliche dazu an, ihre größten Ängste zu beschreiben.

Anschließend werden fantasievolle Umhänge genäht, die Ängste benennen und sich zugleich dagegenstemmen: Gegen die Schrecken von "Krieg", "Faschismus", "Sozialer Ungleichheit", "Krankheit", "Tod der Eltern" und "Weltuntergang". Manche haben Angst vor - im Kontext ein schönes Paradox - "Verkleideten Menschen", "Karies", dem "Ersten Schultag", oder: "Quadraten". Und wenn sich auch nicht jede dieser Bedrohungen mit einem Schutzmantel neutralisieren lässt: Als Anleitung zur Selbstermächtigung überzeugt "The Name of Fear" vollkommen.
Bis 1. Februar 2026 im Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, geöffnet Mi, Fr bis Mo 10 bis 20, Do bis 22 Uhr, Infos unter www.hausderkunst.de
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