Frank Schmolke: Krieger, Gräber und Gerüche

Seine Graphic Novels stechen aus der Szene heraus - nun illustriert Frank Schmolke die neue Dauerausstellung der Archäologischen Staatssammlung, die spätestens Anfang 2024 wiedereröffnet.
von  Christa Sigg
Pardon wird nicht gegeben, zumindest wenn zwei verfeindete Clans aufeinandertrafen. Das war im 7. Jahrhundert nach Christus nicht anders als heute. Und Frank Schmolke übersetzt das in eindrucksvolle Bilder.
Pardon wird nicht gegeben, zumindest wenn zwei verfeindete Clans aufeinandertrafen. Das war im 7. Jahrhundert nach Christus nicht anders als heute. Und Frank Schmolke übersetzt das in eindrucksvolle Bilder. © Zeichnung: Frank Schmolke

München - Diesen Kerlen will man nicht begegnen. Zu allem sind sie bereit, aufgepeitscht bis in die Haarzotteln, und dann fliegen auch schon die Pfeile. "Es hat sich nichts verändert", sagt Frank Schmolke, "das lerne ich jeden Tag, an dem ich weiter in die Vergangenheit eintauche".

Ein unverwechselbarer Stil

Der Münchner Zeichner sitzt momentan an einer brutalen Schlachtenszene, zwei verfeinde Clans rauschen aufeinander. Und irgendwie meint man, diese Typen zu kennen: Schmolke pflegt einen unverwechselbaren Stil, feinsinnig, präzise, ausdrucksstark. Das ließ ihn zu einem der bedeutendsten Comic-Künstler des Landes werden. Ob er nun selbst ausgedachte Geschichten ("Nachts im Paradies" bekam 2019 einen AZ-Stern des Jahres) in prägnanten Bilderfolgen erzählt oder Bestseller wie Sebastian Fitzeks Thriller "Der Augensammler" zu einer Graphic Novel verdichtet.

Gemeinsames Faible für Comics: Rupert Gebhard (links), der Direktor der Archäologischen Staatssammlung, und der Zeichner Frank Schmolke.
Gemeinsames Faible für Comics: Rupert Gebhard (links), der Direktor der Archäologischen Staatssammlung, und der Zeichner Frank Schmolke. © Julia Landgrebe/ASM

Und jetzt? Erfindet sich der 55-Jährige schon wieder neu. Für die Archäologische Staatssammlung zeichnet er Comics, das heißt, er illustriert die Dauerausstellung des Museums, das unter seiner markant rostbraunen Cortenstahl-Fassade seit August 2016 durch Nieto Sobejano Arquitectos generalsaniert wird. Noch. Das Team um Direktor Rupert Gebhard ist bereits wieder in den Verwaltungstrakt gezogen, an der Lerchenfeldstraße hin zum Englischen Garten bleibt während der nächsten Monate allerdings der Bauzaun.

Wiedereröffnung der Archäologischen Staatssammlung mit modernem Präsentationskonzept

Spätestens in einem Jahr soll das Haus mit seinen potenten Sammlungen von der Steinzeit bis in die Neuzeit und darüber hinaus wieder eröffnen - mit einem modernen Präsentationskonzept, das gemeinsam mit dem Atelier Brückner erarbeitet wurde. Das sieht auf insgesamt 1300 Quadratmetern Fläche zwei Rundgänge vor, die in erster Linie thematisch und nur noch partiell chronologisch geordnet sind. Start ist - das passt schön zur Archäologie - unter der Erde. "Im Untergeschoss erfährt man in einer Dreiviertelstunde alles Wesentliche über das Museum und die Archäologie", erläutert Gebhard, "und das entlang der

großen Fragestellungen, von der Selbstreflexion ganz am Anfang - wer bin ich eigentlich? - über die Zeit, die Einordnung in den Kosmos bis hin zum Tod".

Grabräuber mussten hart drauf sein - aus den Särgen drang oft unsäglicher Gestank. Frank Schmolke bringt das ohne Worte auf den Punkt.
Grabräuber mussten hart drauf sein - aus den Särgen drang oft unsäglicher Gestank. Frank Schmolke bringt das ohne Worte auf den Punkt. © Zeichnung Frank Schmolke

Mit Medienguide oder dem eigenen Smartphone keltische Grabfunde entdecken

Ohne den Tod geht bekanntlich nichts in der Archäologie, Gräber sind die entscheidende Informationsquelle, um etwas über das Leben der Vorfahren herauszufinden. Und in diesem Zusammenhang gehört der keltische Grabfund von Otzing zu den wichtigen Forschungsprojekten der Staatssammlung. Nach langjähriger Konservierung und Auswertung soll er nun durch ausgesuchte Exponate in Boden- und Hochvitrinen inszeniert werden. Die entsprechenden Erläuterungen dazu liefert dann ein Medienguide - oder per QR-Scan das eigene Smartphone.

Von den Methoden der modernen Archäologie zu den Voraussetzungen menschlicher Existenz 

Genauso werden die Methoden der modernen Archäologie vorgestellt, etwa wenn es um die Analyse oder die Datierung von Funden geht. Da sind die Münchner weit vorne im internationalen Vergleich. Und mit dieser Einführung sollte man für den zweiten Rundgang mit den Schätzen der Sammlung eine Etage höher gut präpariert sein. Hier werden die Voraussetzungen der menschlichen Existenz aufbereitet, das Dach überm Kopf, die Siedlung und bald das Dorf, die Ernährung, das Entwickeln von Werten in jeglichem Wortsinn oder die Ausdehnung des römischen Imperiums auf dem Gebiet des heutigen Bayerns.

Der Künstler hat alle Freiheiten, aber der Helm muss stimmen

"Für mich ist das auch eine Beschäftigung mit meiner Heimat und meinen Wurzeln", betont Frank Schmolke, "das reizt mich als Münchner schon sehr. Überhaupt genießt er die enge Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern: "Ich habe alle Freiheiten, aber das Kettenhemd muss freilich stimmen". Oder der Helm mit dem Pferdeschweif, der den Stammesfürsten vorbehalten war. "Die Clan-Chefs trugen lange Haare und waren rasiert", sagt er. So erschließen sich in den Bildern auch die Hierarchien.

Rupert Gebhard beobachtet, dass Comics längst nicht nur junge Besucher ansprechen: "Die Graphic Novel ist generationenübergreifend, aber sie muss eben auf einem guten Niveau gemacht sein". Der 61-Jährige liest selbst gerne Comics, eine tiefe Affinität zum Zeichnen besitzt er außerdem.

Vom Tablet auf den Leuchttisch: Schmolke zeichnet Comics mehrmals

Parallel zur Vor- und Frühgeschichte hat Gebhard vier Semester lang an der Kunstakademie studiert. Bei Heinz Butz, der sich für antike Keramik interessierte. Dann lief es irgendwann auf die Archäologie hinaus. Aber die Passion ist geblieben, insofern sind Schmolkes Bilder auch eine Art Stimmungsbooster im nervenzehrenden Baustellenstress. Sowieso, nachdem der millionenschwere Goldschatz in der Zweigstelle in Manching geraubt wurde.

Und das Prozedere ist schließlich nicht alltäglich. Gezeichnet wird zwar zunächst auf dem Tablet, wenn alles fachlich abgesegnet ist, vergrößert Schmolke die Comics auf eine Höhe von zwei Metern und druckt sie aus. Doch dann beginnt der "reale" Akt des Zeichnens. Auf einem Leuchttisch führt er Linien und Striche noch einmal händisch aus. "In der Archäologie greift man in die Erde, das hat auch bei mir nach Handarbeit gerufen", erzählt er. Dazu kommen ein, zwei Sonderfarben, um die Personen besser fassen zu können.

Graphic Novel von Zeichner Frank Schmolke
Graphic Novel von Zeichner Frank Schmolke

Am Ende leuchten die Bilder wie Kirchenfenster

Dann wird das Ganze auf einen transparenten Träger gedruckt. Der kann von hinten beleuchtet werden - "man darf sich das Ergebnis wie ein Kirchenfenster vorstellen", erklärt Frank Schmolke. Mit dem Unterschied, dass es inhaltlich rauer zugeht. Blutiger. Oder gruseliger. "Grabräuber waren oft schon kurz nach der Bestattung am Wühlen", sagt Rupert Gebhard, "das hat dann auch fürchterlich gerochen". Doch selbst dafür findet Frank Schmolke die adäquaten Bilder. Thriller-trainiert sozusagen. Aber sehr viel besser auszuhalten als die entsprechenden Szenen in Fitzeks "Augensammler".

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