Foto-Schau im Stadtmuseum: Fenster in die weite Welt

Das Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum zeigt eine Auswahl der Bilder, die in den letzten 10 Jahren zur Sammlung kamen.
Joachim Goetz |
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André Gelpke fotografierte diesen Rocker 1970.
ho 2 André Gelpke fotografierte diesen Rocker 1970.
Joseph Alberts „Hase und Igel“ 1862.
ho 2 Joseph Alberts „Hase und Igel“ 1862.

München -  Besonders vielversprechend klingt es nicht: „Geschenkt - Gekauft - Gefunden“, Untertitel: „Ankäufe und Schenkungen der letzten zehn Jahre“. Aber das Stadtmuseum fand für weniger spannende Ausstellungen schon reißerischere Titel. So kann sich das von der Fotosammlung aus den Neuzugängen extrahierte fotografische Sammelsurium durchaus sehen lassen.

Geschickt hat man die zuvor noch nie im Haus gezeigten 220 Werke in anschauliche Kapitel aufgefächert, die nicht nur die unterschiedlichen Funktionen und Verwendungsmöglichkeiten von Fotografien ins Gedächtnis rufen – sondern diese auch ausdrucksvoll illustrieren.

Seit 1845 – aus dieser Zeit stammt das älteste „neue“ Foto – hat sich doch einiges verändert. Die in der Sektion „Bilder der Ferne“ gezeigten Aufnahmen aus Italien dienten damals als Erinnerungsbilder für die auf der „Grand Tour“ über Venedig, Florenz, Rom, Neapel die Apenninenhalbinsel durchquerenden Bildungsreisenden des 19. Jahrhunderts. Fotoateliers – etwa von Giorgio Sommer oder Wilhelm von Glöden in Italien betrieben – produzierten die Antike, Renaissance und Barock beschwörenden Fotos und verdrängten nebenbei Kupferstich und Lithographie aus der Souvenirkultur.

Europas Neugier erzeugt sonderbare Illusionen

Aber auch den Daheimgebliebenen bot die Fotografie auf „Völkerschau“ genannten Publikumsmagneten ein Bild der unterschiedlichen Kulturen des Orients, Afrikas oder Amerikas. Europas Neugier war anscheinend grenzenlos – und erzeugte teils sonderbare Illusionen: Der Wilde Westen stand sinnbildlich für Freiheit und Abenteuer, der Orient für prickelnde geheimnisvolle Exotik aus dem Märchen von Tausend und einer Nacht. Viel ist davon heute nicht mehr geblieben.

Etwas ganz anderes – obgleich ebenfalls eine exotische Foto-Facette – zeigt das Kapitel „Japan in der Meiji-Zeit“. Die ruhigen, konzentrierten Bilder japanischer Berufsfotografen entstanden nach der Öffnung Japans 1853 und machten die japanische Kultur mit ihren Berufen, Bräuchen, Religionen, mit Natur und Architektur weltweit verfügbar. Die verschiedenen Fotografien, von japanischen Künstlern mit einer Art Wasserfarben-Tinktur farblich veredelt, stellten sich Käufer nach Gusto zusammen. Die so entstandenen Alben – zu sehen sind einige aus der Sammlung Josef Breitenbach – wurden mit einem prachtvollen Lackeinband und Intarsien versehen.

Aus dem Privatleben von Königin Victoria

Weitere Kapitel widmen sich dem fotografischen Prinzip der Serie, dem Stillleben, der Architektur oder dem Porträt gestern und heute. Hingucker sind etwa die ausgewählten Porträts aus den Alben des königlichen Bibliothekars und Erziehers Ernst Becker (1862-1888), die – wenig spektakulären – Geheimnisse aus dem Privatleben von Königin Victoria und Prinz Albert lüften. Auch die Aufnahme von Max Scheler, auf der sich Heinrich und Wilhelmine Lübke 1962 vor dem Taj Mahal tief in die Augen schauen, erhält ihre pikante Note eigentlich erst durch das britische Königshaus. Das deutsche Präsidentenpaar sitzt auf der gleichen steinernen Bank, auf der sich 1992 Lady Di demonstrativ ohne Charles – und vor kurzem – ihr Sohn William demonstrativ mit Kate, ablichten ließen. Diese Fotoserie – das berühmteste ist sicher die Ikone der Einsamkeit mit Diana im leuchtend roten Blazer – muss man sich freilich selber imaginieren.

Ansonsten hält das Museum serielle Konzeptarbeiten aber für die entscheidenden fotografischen Werke des 20. und 21. Jahrhunderts – und zeigt deshalb ausgewählte Einzelelemente aus nicht ganz unbekannten Serien. So schaut etwa Herlinde Koelbl – freilich unter einem deutlich sozialkritisch inspirierten Blickwinkel – in die „deutschen Wohnzimmer“. Eva Bertrams begleitet das nicht selten lustige Rollenspiel ihrer heranwachsenden Tochter über ein Jahrzehnt lang mit der Kamera. Das Spektrum beinhaltet auch systematische Bestandsaufnahmen von Edgar Leciejewski, künstlerische Experimente von Dieter Appelt oder assoziative Erzählformen von Silke Grossmann.

So lässt sich gut nachvollziehen, wie sich die Fotografie vom historischen Dokument zur Kunst gemausert hat. Als ob dies nicht genug ist, erfährt man auch noch, was die Fotoabteilung sozusagen hinter verschlossenen Türen treibt: Sammlung pflegen, Fotografien restaurieren. Einige Objekte und ein Video zeigen wie das gemacht wird.


Fotomuseum im Stadtmuseum
Sankt Jakobsplatz 1,
bis 31. Juli

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