Fast 1000 Denkmäler zerstört

Rund eine Million einzigartige Gebäude in Deutschland sollen eigentlich bewahrt werden. Häufig aber läuft es anders - etwa in Planegg im Münchner Westen
von  Robert Braunmüller
Die verfallende Schlosswirtschaft in Planegg.
Die verfallende Schlosswirtschaft in Planegg. © Eva von Sternburg

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beklagt den achtlosen Abriss historisch bedeutsamer Gebäude. In einem „Schwarzbuch“ spricht die Stiftung von mindestens 900 Denkmalen, die allein 2023 und 2024 verloren gegangen seien - vom Generalshotel in Brandenburg über eine Minol-Tankstelle in Sachsen bis zu einem Flugzeughangar im Saarland.

Die Bauten waren ursprünglich als Denkmale geschützt, blieben aber doch nicht erhalten. „Jedes Jahr gehen viele Objekte unwiederbringlich verloren - und jedes verlorene Denkmal ist auch ein Stück verlorene Erinnerung, Identität und Kultur“, heißt es im „Schwarzbuch“.

Bevor die Abrissbagger rollen, erreichen Eigentümer demnach meist behördlich oder vor Gericht eine Aufhebung des Denkmalschutzes. Die Gründe aus Sicht der Stiftung: Denkmalschutz gelte als starr und teuer. Häufig würden Kosten für den Erhalt geschützter Gebäude zu hoch angesetzt, Kosten für Ersatzbauten hingegen zu niedrig. Einige Denkmale seien als historisch belastete Orte „unbequem“, etwa das sogenannte Bogensee-Areal mit der Villa von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in Brandenburg.

Bayerische Negativ-Beispiele

Zuständig für den Schutz von geschätzt etwa einer Million Denkmäler seien Behörden der Länder, doch fehle denen der Überblick. „Wie viele Denkmale jedes Jahr verschwinden, ob durch Abriss oder durch unauffälliges und unbemerktes Streichen von den Denkmallisten, wird ebenfalls nicht erfasst und ausgewertet“, schreibt die Stiftung in dem auch online nachlesbaren Schwarzbuch.

Das nördlich von Berlin gelegene Areal am Bogensee umfasst mit der ehemaligen FDJ-Hochschule Wilhelm Pieck und der Villa von NS-Propagandaminister Goebbels. Die zuletzt wieder sehr intensiv geführte Diskussion zu einem Nachnutzungskonzept Bogensee ist bislang noch ohne Ergebnis und findet nach wie vor wenig Unterstützung durch die Berliner Landesregierung als Eigentümerin des Areals.
Das nördlich von Berlin gelegene Areal am Bogensee umfasst mit der ehemaligen FDJ-Hochschule Wilhelm Pieck und der Villa von NS-Propagandaminister Goebbels. Die zuletzt wieder sehr intensiv geführte Diskussion zu einem Nachnutzungskonzept Bogensee ist bislang noch ohne Ergebnis und findet nach wie vor wenig Unterstützung durch die Berliner Landesregierung als Eigentümerin des Areals. © picture alliance/dpa

In Bayern wurden laut dem Schwarzbuch in den Jahren 2023 und 2024 rund 100 Denkmäler von der Denkmalschutzliste gestrichen und zum Teil abgerissen. Sieben Negativ-Beispiele werden ausführlicher beschrieben, darunter eines der letzten Beispiele eines spätbarocken Landgasthofs in der Umgebung von München: die Schlosswirtschaft in Planegg.

Das lange vernachlässigte Gebäude stürzte im Oktober 2023 teilweise ein. Daraufhin wurde die vorbeiführende Straße durch das Würmtal nach Starnberg teilweise gesperrt, was zu Verkehrsbehinderungen und die Forderungen nach einem Abriss verstärkte. Die hinsichtlich ihrer Notwendigkeit umstrittene Sperrung initiierte der Bürgermeister, der auch den Abriss befürwortete. Er ist laut Angaben des Schwarzbuchs Mitglied derselben Partei wie der Eigentümer, der als Gemeinderat auch Mitglied des Bauausschusses der Gemeinde ist.

An den Bahnsteigen in Prien lässt die Bundesbahn ihre wartenden Fahrgäste im Regen stehen,
An den Bahnsteigen in Prien lässt die Bundesbahn ihre wartenden Fahrgäste im Regen stehen, © IMAGO/NurPhoto

Auch hier wurden öffentliche Fördergelder für den Erhalt des Gebäudes abgelehnt. Das Landesamt für Denkmalpflege habe immer wieder Nutzungskonzepte vorgelegt und finanzielle Förderung angeboten, zuletzt rund zwei Millionen Euro. Im bayerischen Landtag wurde der Abriss als Präzedenzfall für Entscheidungen zur Denkmalpflege diskutiert, um künftige Verfahren zu beschleunigen und zu verbessern. Der Eigentümer plant nun die Errichtung von Wohnungen.

Ein Denkmal der Sportgeschichte

Am Bahnhof in Prien am Chiemsee entfernte die Deutsche Bahn kürzlich das historische Gusseisendach aus der Zeit um 1910. Bei diesem Teilabriss gingen die an Kapitelle der griechischen Antike erinnernden Stützen verloren. Andere historische Bauteile sind nun dem Wetter schutzlos ausgesetzt, die Bahnkunden warten außerdem im Regen auf die verspäteten Züge.

Die Radrennbahn Reichelsdorfer Keller ist die älteste in Deutschland noch erhaltene 400 m-Beton-Rennbahn. Nach dem Willen des Stadtrates soll sie neuen Wohnblocks weichen, trotz Anerkennung als Denkmal mit stadt-, sport- und technikgerschichtlicher Bedeutung.
Die Radrennbahn Reichelsdorfer Keller ist die älteste in Deutschland noch erhaltene 400 m-Beton-Rennbahn. Nach dem Willen des Stadtrates soll sie neuen Wohnblocks weichen, trotz Anerkennung als Denkmal mit stadt-, sport- und technikgerschichtlicher Bedeutung. © IMAGO/Matthias Wjst

Zu den Verlusten in Bayern zählt außerdem die Radrennbahn Reichelsdorfer Keller in Nürnberg. Sie war die älteste erhaltene Zementbahn und damit ein Denkmal der Sportgeschichte. Abgerissen wurde auch ein spätmittelalterliches Handwerkerhauses in der Altstadt von Landshut. Der Eigentümer ließ es verfallen und nahm auch keine öffentlichen Mittel in Anspruch. Hier sei 2024 durch den Abriss eines im Interesse der Öffentlichkeit eigentlich unantastbaren Gebäudes höchstwahrscheinlich privater Profit gemacht worden, so die Stiftung.

Mehr private Initiative

Dass es auch anders geht, zeigt ein ebenfalls im Schwarzbuch beschriebenes Beispiel. In Immenstadt (Lkr. Oberallgäu) wurde die Alte Schule aus dem Jahr 1865 dank des Einsatzes der Dorfgemeinschaft gerettet. Eine Genossenschaft erwarb das Gebäude und saniert es seit 2024. Künftig sollen darin ein Café, Kunsthandwerker und Start-ups ihren Platz finden.

Ein Bagger, an dem ein Banner mit der Aufschrift „Jeden Tag geht in Deutschland mindestens ein Denkmal verloren“ hängt, steht in einer aufgebauten Kulisse vor dem Brandenburger Tor. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) möchte auf den Verlust und die Bedrohungen in der deutschen Denkmallandschaft aufmerksam machen.
Ein Bagger, an dem ein Banner mit der Aufschrift „Jeden Tag geht in Deutschland mindestens ein Denkmal verloren“ hängt, steht in einer aufgebauten Kulisse vor dem Brandenburger Tor. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) möchte auf den Verlust und die Bedrohungen in der deutschen Denkmallandschaft aufmerksam machen. © picture alliance/dpa

Schlichtweg „großartig“ findet die Stiftung, wie die Dorfgemeinschaft die Bedeutung des Denkmals verstanden habe und sich dafür einsetze. Abrissvorhaben und die Streichung aus Denkmallisten sollten zudem rechtzeitig öffentlich gemacht werden, notwendig sei außerdem eine bundesweite Erfassung des Bestands und eine bessere Ausbildung für Mitarbeiter in den zuständigen Behörden.

Die 1985 gegründete Stiftung Denkmalschutz ist seine private Initiative. Sie hat nach eigenen Angaben in 40 Jahren die Erhaltung von rund 7.500 Denkmälern mit mehr als einer dreiviertel Milliarde Euro unterstützt. Das Schwarzbuch soll künftig jährlich erscheinen, um Mißstände zu benennen und Lösungsansätze aufzuzeigen.

Das Schwarzbuch als PDF unter www.denkmalschutz.de

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