Eva Hesse: Hommage an ein jung verstorbenes Genie

Latex, Kunststoffröhren, Fiberglas: Eva Hesse (1936-1970) hatte keine Angst vor rohen Materialien. Mit der Ausstellung "Beyond the Matter – Impressions of Eva Hesse" (Kuratorin Katie Britchford) widmet jetzt die Galerie der Künstler*innen der fast mythisch verehrten Ausnahme-Künstlerin eine Hommage. Darin zu sehen sind Zeichnungen, textile Objekte und Installationen von 20 Gegenwartskolleginnen, die – zum Teil sehr direkt – auf ihr Werk Bezug nehmen.
Eva Hesses Leben war kurz und dramatisch: Sie wurde in Hamburg als jüngere Tochter jüdischer Eltern geboren und im Alter von zwei Jahren mit ihrer großen Schwester vor den Nazis durch einen Kindertransport in die Niederlande gerettet. 1939 kamen die Eltern im letzten Moment nach, die Familie emigrierte nach New York.
In nur zehn Jahren ließ Eva Hesse ein unverwechselbares Werk entstehen
Doch deren Ehe hielt den Erschütterungen nicht stand. Nach der Scheidung brachte sich die Mutter um, da war Eva zehn Jahre alt. Später studierte sie an der Cooper Union und in Yale Malerei, unter anderem bei Josef Albers. Nachdem sie zunächst vor allem zeichnete, begann sie nach einem Arbeitsaufenthalt in Deutschland dreidimensional zu arbeiten und mit verschiedenen Materialien zu experimentieren. Es folgte eine intensive Schaffensphase, ehe sie mit nur 34 Jahren an einem Hirntumor starb.
Dennoch ließ Hesse in nur zehn Jahren ein unverwechselbares, umfassendes Werk entstehen. Ihre Arbeit war in der Wahl der Werkstoffe und Stringenz des künstlerischen Handelns nicht weit weg von der Minimal Art, doch anders als bei den Kollegen ist ihre ebenfalls abstrakte Kunst nie cool konzeptuell, sondern sinnlich, organisch und prozesshaft und macht die Bedingtheit der menschlichen Existenz spürbar.
"Beyond the Matter": Vielfältig und pointiert
Für "Beyond the Matter" entwickelten die teilnehmenden Künstlerinnen Arbeiten, die deutlich erkennbar auf Hesses Oeuvre reagieren: Sarah Doerfels Installation aus Naturlatex und Keramik kommt ihrer feinnervigen Plastizität nahe, Judith Adelmann greift in der Objekt-Serie "Oh Buoy" plastische Formspiele auf und dreht sie weiter.
Kika Roufina betont die Aspekte von Weiblichkeit in Hesse Kunst und variiert mit zarten Porzellan-Abgüssen von Stillhütchen vielfältige Negativformen der weiblichen Brust. Skulptural ebenso eigenständig agieren Elisa Mannig und Katharina Weishäupl. Mannig schafft pointiert-cleane Dada-Mades, Weishäupl eine zeichenhaft wirkende "Trophäe".
Kurzfilm "Walking The Edge" verrät mehr über Eva Hesse
Simone Kesslers filigrane Magnet-Installation "Auftrieb" setzt eindrucksvoll auf unsichtbar wirkende Kräfte. An Hesses materielle Experimentierfreude knüpft auch Olga Golos' Boden-Installation mit 19 Hütchen aus schimmerndem Polylactid-Gewebe an. Explosiver wirken Mari Iwamotos teilweise verkohlte Sand-Kugeln "Rückwärts Blühen", eine Art liegender Baum mit Zweigen wie Zündschnüre. Und unter den Oberflächen wuchern die Rhizome: Evelyn Möcking Bambuspilze unter Glas für sich arbeiten und ein graziles Netz spinnen. Gretta Louw und Cordula Schier nähern sich Eva Hesses Experimentierfreude graphisch an: Schieri schuf die großformatige Serie "Arthandle You" auf Papier, in denen gelenktes Wasser und blaue Farbe zauberhafte malerische Effekte ergeben. Louw knüpft in ihren "Entanglements" ein stabil wirkendes, aber loses Geflecht sich verstrickender Linien, das Wand und Graphik-Blätter verbindet und den ganzen Raum zusammenhält.
Wer mehr über Eva Hesse selbst erfahren möchte, für den gibt es den dokumentarischen Kurzfilm "Walking The Edge" (von Marcie Begleiter), der Freundinnen und Wegbegleiter zu Wort kommen lässt.
Bis 27. August, Galerie der Künstler*innen (Maximilianstr. 43) Mi/Fr - So 11 bis 18, Do 13 bis 20 Uhr