Edi Rama - Künstler und Politiker

Der albanische Ministerpräsident Edi Rama übermalt in Sitzungen seine Terminblätter und Akten. Nun sind sie in München zu sehen.
von  Volker Isfort

Der albanische Ministerpräsident Edi Rama übermalt in Sitzungen seine Terminblätter und Akten. Nun sind sie in München zu sehen.

Die Open Art ist der gemeinsame Start der Münchner Galerieszene nach der langen Sommerpause. Den ungewöhnlichsten Künstler präsentiert heuer die Galerie Kampl. Sie zeigt Werke des Künstlers Edi Rama, der zwischen 2000 und 2011 Bürgermeister von Tirana war und seit zwei Jahren Ministerpräsident von Albanien ist. Er zeigt seine übermalten Kalenderblätter und politischen Schriftstücke. (Stückpreis 1500 Euro).

AZ: Herr Rama, warum haben Sie den Weg von der Kunst in die Politik gewählt?

EDI RAMA: Das hat mit politischem und sozialem Engagement und Verantwortungsbewusstsein zu tun. Manchmal entscheidet man nicht selber, was man tut, das Leben entscheidet dann für einen. Mein Sprung von der einen auf die andere Seite wurde durch besondere Umstände ausgelöst, in einem ganz besonderen Moment der albanischen Geschichte. In meinem Land, wie auch in anderen postkommunistischen Ländern, gab es eine politische Bewegung, in der vielfach Akademiker und Künstler aktiv geworden sind.

Als Bürgermeister von Tirana haben Sie graue Gebäude bunt anmalen lassen.

Das war meine erste Aktion direkt, nachdem ich gewählt worden bin. Die Stadt war in einem miserablen Zustand. Es gab ja 1997, nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, fast Anarchie im Land. Der Staat funktionierte nicht, es gab niemanden der Frieden und Demokratie hätte garantieren können. Die Lage in der Stadt war einigermaßen hoffnungslos. Es gab auch kaum noch Formen gesellschaftlicher Zusammenarbeit. Ich denke, die Aktion der bunten Häuser hat vor allem ein Signal ausgesendet: Wandel ist möglich. Es entstand etwas im öffentlichen Raum, an dem sich alle beteiligen konnten.

Haben die Menschen diese Botschaft so verstanden?

Ich glaube, dass Menschen Kunst immer verstehen, auch wenn sie vielleicht nicht in der Lage sind, sich wie Kunstkritiker auszudrücken. Aber sie haben die Botschaft gefühlt.

Albanien hat ein nicht sehr positives Image in Deutschland. Was vor allem daran liegt, dass noch relativ wenige Deutsche Ihr Land besucht haben.

Albanien hat stark unter seinem schlechten Image gelitten – und tut dies noch immer. Wir Albaner waren daran auch nicht ganz unschuldig. Die internationalen Medien aber haben dieses Stereotyp des rückständigen Albaniens kreiert. Ausländer, die nach Albanien fahren, sind daher auch immer vollkommen überrascht. Der Kontrast zwischen ihrem Vorurteil und dem, was sie vor Ort sehen, ist gewaltig. Wer als Tourist bei uns war, kommt auch immer wieder. Und glücklicherweise haben wir stark wachsende Zahlen. Aber wir werden noch eine ganze Weile zu kämpfen haben, bis sich unser Bild in der Welt normalisiert hat.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Lage des Landes?

Unsere Wirtschaft wächst wieder, aber wir sind von der Lage in Griechenland abhängig, weil dort sehr viele Albaner arbeiten. Übrigens auch in Italien. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die wirtschaftliche Lage in Albanien stetig verbessern wird.

Schadet es Ihrem Status als Politiker, dass Sie auch Künstler sind?

Ach, die Menschen sagen eine Menge Dinge über mich. Manche sagen, ich sei kein richtiger Künstler, weil ich Politiker bin, andere sagen ich sei kein Politiker, weil ich Künstler bin. Ich bin sicher kein typischer, professioneller Politiker, und ich hoffe, dies auch niemals zu werden.

Wann werden Sie sich aus der Politik zurückziehen und wieder Künstler werden?

Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu schmieden, hat John Lennon einmal gesagt. Wenn ich selber entscheiden könnte, was ich mache, dann würde ich sagen, ich freue mich auf ein drittes Leben. Ich hatte ein Leben als Künstler, ich hatte eines als Politiker. Und ich hätte gerne noch ein anderes.

Zeichnen Sie jeden Tag?

Eigentlich schon. Ist das für Sie existenziell wichtig? Ja, aber das ist die Politik auch. Wenn ich beides als Beruf ansehen würde, wäre das schrecklich.

Wie kann Deutschland Albanien helfen?

Wenn Deutschland Albanien und die ganze Region besser versteht, ist uns geholfen. Auch die aktuelle Flüchtlingssituation kann eine Chance für beide Seiten sein. Wenn wir beispielsweise ein gemeinsames Programm für die Berufsausbildung auflegen, kann auch Deutschland davon profitieren. Wir könnten Pflegekräfte ausbilden, die dann in Deutschland arbeiten. Das kostet alles viel weniger als das, was jetzt in Deutschland für Flüchtlingshilfe ausgegeben wird.

Warum kommen junge Menschen aus Albanien nach Deutschland, ihre Anerkennungsquote liegt bei fast null Prozent?

Polen und Tschechen und ander Menschen aus den östlichen EU-Staaten sind doch auch zu Millionen nach Deutschland gekommen. Was jetzt passiert, ist doch nichts Neues. Natürlich müssen die Menschen in Albanien auch besser aufgeklärt werden, wie schlecht ihre Chancen in Deutschland sind. Aber ich kann jungen Menschen keinen Vorwurf machen, die einfach versuchen, zwei Flugstunden entfernt ein besseres Leben zu starten.

Wann wird Albanien Teil der Europäischen Union sein?

Das müssen Sie Bundeskanzlerin Angela Merkel fragen. Wenn es nach mir ginge, würde ich sagen: jetzt. Es geht allerdings nicht mehr um Albanien, es geht um Europa.

Fühlen Sie sich von Westeuropa manchmal im Stich gelassen?

Nein, wir sind reifer geworden, haben nicht mehr dieses naive, zu idealistische Bild von Europa. Wir sind nicht im Kindergarten, und Europa spielt den Babysitter. Wir sind eine Familie – und wie in jeder Familie gibt es auch mal Schwierigkeiten. Aber Teil dieser Familie zu sein, ist unsere größte Anstrengung. Es gibt für uns keine andere Alternative als das europäische Projekt. 

Bis 10. Oktober in der Galerie Kampl, Buttermelcherstr. 15

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