Highlight für Museums-Fans: Kunsthalle München feiert Jubiläum mit Eintritt nach Wahl
Wenn man Roger Diederen nach seinen Lieblingsausstellungen fragt, geht es um die halbe Welt. Aber klar, das Programm reicht vom alten Königreich Korea bis zu Georgia O’Keefe, vom Sudan bis zu Walt Disneys Wurzeln in der europäischen Kunst. Das Besondere zu zeigen, das ist es doch, womit die Kunsthalle München heraussticht - seit vier Jahrzehnten. Am 14. Juni 1985 hat sie an der Theatinerstraße 16 erstmals ihre Tore geöffnet. 2001 ging’s ein paar Meter weiter ins Areal der Fünf Höfe, wo am Samstag gefeiert wird, mit der aktuellen Schau „Civilization“ - den Eintrittspreis bestimmt man selbst.
AZ: Herr Diederen, in 40 Jahren Kunsthalle sind Sie erst der vierte Direktor. Was sagt das über Ihr Haus?
ROGER DIEDEREN: Die Konstruktion funktioniert einfach! Wir sind ein relativ kleines Team und haben eine große Freiheit. Die Wege sind kurz, die Entscheidungen fallen schnell. Wo in anderen Institutionen viel Zeit draufgeht, bis ein Projekt oder ein Leihvertrag bewilligt ist, haben wir die Sache schon umgesetzt.
Alles eine Sache des Geldes?
Und ein Nein?
Das kommt schon vor, aber dann gibt es einen guten Grund dafür. Meistens ist es eine Geldfrage. Dennoch finden wir Lösungen. Ich glaube, das macht uns erfolgreich. Diese Flexibilität ist in staatlichen und städtischen Strukturen kaum möglich. Außerdem haben wir mitten in einer Fußgängerzone tolle Ausstellungsräume, die wir an die Kunst anpassen können. So ist vieles umsetzbar, was in Museen mit einer historischen Architektur oft an Grenzen stößt. Und damit meine ich gar nicht die Größe der Objekte.
Sondern?
Wir haben hier die Möglichkeit, Geschichten von A bis Z zu erzählen, eine Dramaturgie aufzubauen. In vielen Häusern muss man durch sämtliche Räume wieder zurückgehen, das killt jede Erzählung.

Die Kunsthalle hat keine eigene Sammlung, Sie können also frei planen?
Was die Themen betrifft, auf jeden Fall. Da müssen wir keine Rücksicht nehmen und ein Programm finden, das zu einer Sammlung passt. Auf der anderen Seite können wir bei Leihgesuchen auch keinen Rembrandt oder Kandinsky bieten.

Wie hat man sich die Struktur der Kunsthalle vorzustellen?
Wir sind die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, der Einfachheit halber nennen wir uns Kunsthalle München. Und es ist nicht wie bei großen potenten Stiftungen, deren Kapital so viel an Zinsen abwirft, dass man damit eben mal ein Ausstellungshaus finanzieren kann. Der Etat der gemeinnützigen Stiftung reicht jedenfalls nicht aus, um die Kunsthalle zu betreiben. Wir zahlen Miete und die Kosten für jede einzelne Ausstellungsproduktion. Um das decken zu können, unterstützt uns die HypoVereinsbank.

Realität und Kreativität: Wo Inspiration auf Grenzen trifft
Wird aufs Programm Einfluss genommen?
Gar nicht. Aber es geht nicht nur um Inhalte und gute Ideen, die hätten wir ohne Ende, sondern um das, was wir realisieren können. Zu welchem Ausstellungsthema bekommen wir qualitativ hochwertige Kunstwerke? Selbst wenn wir wollten, könnten wir finanziell gesehen niemals eine Monet-Schau zusammenbekommen. 1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit Caspar David Friedrich füllen zu wollen, wäre genauso utopisch. Das machen die Museen, die die wichtigsten Werke besitzen, und im Friedrich-Jahr hat das ja perfekt funktioniert.

2008 hat die Kunsthalle eine viel beachtete Mark-Rothko-Retrospektive ausgerichtet.
Das wäre heute nicht mehr möglich. Es gab in den letzten 40 Jahren einige Ausstellungen, die heute nicht annähernd finanzierbar wären. Seit Corona haben sich die Transportkosten verdreifacht, dazu kommen die hohen Versicherungssummen. In den letzten 20 Jahren sind die Preise auf dem Kunstmarkt explodiert, zumindest für die Künstlerinnen und Künstler, die man kennt. Und daran müssen sich die Versicherungen bei der Taxe orientieren. Also begeben wir uns auf interessante Seitenstraßen.

Das hat der Kunststadt München durchaus gutgetan.
In Spanien ist Joaquín Sorolla ein Held, hier kannte man ihn kaum. Genauso Ignacio Zuloaga oder Vilhelm Hammershøi. Auch der polnische Symbolismus war ziemlich unbekanntes Terrain. Und wir hatten immer wieder großartige Kooperationen. Denken Sie an die Rokoko-Ausstellung mit dem Diözesanmuseum, die Buchmalerei „Pracht auf Pergament“ mit der Bayerischen Staatsbibliothek und zuletzt die Jugendstil-Schau mit dem Münchner Stadtmuseum. Oder wir denken uns selbst etwas aus wie „Flowers Forever“. Die Ausstellung hat wirklich alle Altersgruppen angesprochen. Blumen sind für viele einfach schön, aber sie können auch überraschend politisch sein. Mit 350.000 Besuchern war das eine der erfolgreichsten Ausstellungen unserer Geschichte
So viele Besucher braucht es für die schwarze Null
Wie viele Besucher sollten es im Jahr sein?
300.000 sollten wir schon haben, um wirtschaftlich auf eine „schwarze Null“ zu kommen. Aber mal ehrlich, wer Ausstellungen macht, will doch, dass sie von vielen Menschen gesehen werden. Selbst die Mode war anfangs ein Risiko, das musste sich erst einspielen. Jean-Paul Gaultier lief in den ersten Wochen gar nicht, da gab es beim Kunstpublikum auch gewisse Vorbehalte, und dann ging der Zuspruch gegen Ende hin steil nach oben.

Mit der digitalen Kunst von Miguel Chevalier probieren Sie im Herbst wieder etwas Neues aus. Liegt das Raumerlebnis nicht im Trend?
Wenn die immersiven Ausstellungen von Frida Kahlo bis van Gogh damit gemeint sind, ist das ein Trend, ja. Davor habe ich auch Respekt. Aber wir wollen hier originale Kunst zeigen. Miguel Chevalier hat bereits in der Blumen-Schau einen Raum bespielt, das fanden wir so überzeugend, dass wir mit ihm nun eine komplette Ausstellung machen. Er ist wirklich ein Pionier, befasst sich seit den 80er Jahren ausschließlich mit digitaler Kunst, und wir wollen das auch erklären. Was ist ein Algorithmus? Wie arbeitet die Künstliche Intelligenz?

Wie weit planen Sie voraus?
Unser Programm steht bis 2028, andernfalls bekommt man das nicht umgesetzt. Eine so vielseitige Ausstellung wie zu dem Thema „Haare“ ab Frühjahr 2026 braucht eine lange Vorlaufzeit. Das geht in sämtliche gesellschaftliche Bereiche hinein, die Symbolkraft von Haaren ist unglaublich. Und wir stöbern in Sammlungen, an die man gar nicht denkt. Das macht man nicht in einem Jahr.
Sie zeigen, was man an anderen Häusern eher nicht sieht.
Das sagt uns auch das Publikum. Die innovative „Faust“- Ausstellung war ein Wagnis, aber die positive Resonanz überwältigend. Das ist unser Antrieb, dafür arbeiten wir alle. Ohne die Kunsthalle München wäre die Kulturlandschaft der Stadt um einen lebendigen Ort ärmer.
Zum 40-jährigen Jubiläum der Kunsthalle München am Samstag, 14. Juni, sind alle eingeladen, den Eintrittspreis selbst zu bestimmen. Noch bis 24. August ist die Fotografie-Ausstellung „Civilization: Wie wir heute leben“ täglich von 10 bis 20 Uhr zu sehen.
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