Die Sau rauslassen im "Notel Prinzregent"

Noch bis 19. Juni besetzen 70 Akademie-Studenten das Altmünchner "Notel Prinzregent"
von  Christa Sigg
Messis im Liebesrausch? Dafür ist das Ganze dann doch zu ästhetisch, oder? Installation von Janina Totzauer.
Messis im Liebesrausch? Dafür ist das Ganze dann doch zu ästhetisch, oder? Installation von Janina Totzauer. © JT

Noch bis 19. Juni besetzen 70 Akademie-Studenten das Altmünchner "Notel Prinzregent"

Einfach mal im Hotel die Sau rauslassen? Das wird allenfalls rockenden Superstars zugestanden, die damit ihren Ich-darf-alles-Status unterstreichen. Und für dieses Memoiren-Tuning dann brav blechen. Aber wenn die Abrissbirne fast schon sichtbar ist? Dürfen auch Studenten sägen und häckseln, zündeln oder Unappetitlichkeiten auskippen – sofern sie wollen. Denn in Kürze wird das wenige Meter von der Stuckvilla entfernte Hotel Prinzregent sowieso platt gemacht.

Über 30 Jahre war es im Besitz der Familie Biermann, allerlei Bekanntheiten sind hier noch bis vor ein paar Wochen abgestiegen, sogar ABBA und Bundeskanzlerin Angela Merkel waren da. Demnächst wird das ehemalige „Vier-Sterne-Juwel im Altmünchner Stil“ allerdings einem Appartementhaus der luxuriösen Art weichen. Das Übliche im überhitzten München. Wobei die Idee der Hoteliers wiederum ungewöhnlich, ja cool ist: Studenten der Kunstakademie sollten die Räume besetzen. Mit künstlerischem Anspruch natürlich.

Voyeuristischer Blick ins Hotelzimmer

Das Ergebnis? Wild, ausufernd, rotzfrech, amüsant, gewagt, aufregend, unterhaltsam – und zwischendurch auch mal peinlich oder platt. Aber dann geht man eben ins nächste abgezirkelte Reich der Fantasie, in dem zum Beispiel eine Nackte in Rotwein badet. Man sollte also was im Magen haben, der Alkohol hängt noch drei Zimmer weiter in der Luft, und nicht prüde sein. Etwa, wenn unzählige (Ton)Pimmel sich durch einen Raum, nun ja, schlängeln: über Tisch und Heizkörper und selbstverständlich übers Bett. Erst recht darf der Türspalt nicht fehlen, der den voyeuristischen Blick freigibt auf? Sexpuppen und Pornos!

Eher beklemmend sind der an einem Strick baumelnde schwarze Sack, in dem ein Mensch stecken könnte, und das völlig abgefackelte Zimmer. Viel war auch nicht mehr übrig, als die gut 70 Studenten vor drei Wochen im „Notel Prinzregent“ angetreten sind, eine Wiederverwertungsfirma hatte selbst Vorhangstangen und Kabel abgeräumt. Aber leere Wände machen erfinderisch, lassen alles zu und bieten außerdem Platz für großformatige Arbeiten der Fotografen oder der Maler. Und zur Not müssen die alten Vorhänge von daheim für eine Stoff-Schlauch-Performance herhalten.

Künstler-Escortservice

Immerhin fand sich noch so viel Gerümpel, um ein Zimmer komplett zu füllen oder zahlreiche Einrichtungsreste zu einem raumsprengenden Riesenmobile zu balancieren. Und für einen Künstler-Escortservice braucht’s eh nur einen Schreibtisch, der Rest findet anderswo statt…

Wobei zwischendrin auch mal große Kunstgeschichte bemüht wird: etwa mit Hans Holbeins gezerrtem Totenschädel aus den „Gesandten“, der fast unscheinbar auf einen Spiegel kopiert ist. Und was passt besser zum drohenden Ende, zum Nachdenken übers Besitzen und Verlieren, Sein und Vergehen, als ein solches Memento mori?

„Notel Prinzregent“, Ismaninger Straße 42-44, bis 19. 6.: Mo bis Fr 16 – 21, Sa und So 14 – 21 Uhr, Führungen Do 20 und So 16 Uhr; www.notel-prinzregent.com

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.