Die grundsätzlichen Fragen
Schön, wenn Kunst gefällt, aber ein Konzept sollte sie schon haben – finden die Galeristen Susanne Baumgart und Gregor Nusser
Von der Decke baumelt ein Galgenstrick. Links davon schiebt sich ein Tischtennisschläger aus der Wand. Und rechts hat sich ein Wischmopp im tatsächlichen Wortsinn selbstständig gemacht. Auf den ersten Blick ist das wenig, aber wer Benjamin Bergmann kennt, weiß, dass man daran schon gut zu knabbern hat. Der Münchner Künstler liebt Verwirrspielchen, und die können ziemlich komisch sein. Spätestens beim Blick aufs Kleingedruckte: Der eingangs erwähnte Strick – übrigens aus Bronze – trägt den vielsagenden Titel „Hilfe von oben“. Und auch Gregor Nusser amüsiert sich.
Er genießt die verdutzten Blicke, das Stirnrunzeln der Besucher. Bei Nusser & Baumgart darf das Gehirn arbeiten, das gehört zum Programm. „Unsere Künstler haben alle ein konzeptuelles Interesse, stellen grundsätzliche Fragen“, sagt Nusser, der die Galerie zusammen mit seiner Frau Susanne Baumgart 2003 gegründet hat. Da war er freilich kein Neuling mehr. Wie auch. Die Nussers sind seit drei Generationen Kunsthändler, beim Großvater, der aus dem oberschwäbischen Biberach nach München kam, stand auf der Visitenkarte noch „Fayencen, Schmuck, Teppiche, Gemälde 16. bis 20. Jahrhundert“. Und der Enkel hatte von Anfang an Lust auf die Familientradition.
Ein Studium der Kunstgeschichte lag also nahe. Allerdings nicht in Clan-Nähe, sondern in Paris an der American University, weil man dort vor Originalen arbeitet. „Damit bin ich groß geworden, da lernt man am meisten“, betont der 48-Jährige, der früh seinem Vater geholfen hat. Erst als Bilderschlepper, dann durfte er auspacken...
Die erste Galerie vis-à-vis der Oper
Genauso ist Susanne Baumgart – ebenfalls Kunsthistorikerin – vorbelastet. Ihr Vater hat für Daimler-Benz die Kunst- sammlung aufgebaut, sie konzentrierte sich dagegen erst auf Alte Meister, „und schaut noch genauer hin“. Bei Nusser junior, der sich eher aufs „Atmosphärische“ verlässt, war vor allem das Interesse an zeitgenössischer Kunst sehr ausgeprägt. In Madrid hat er nach dem Studium entsprechende Ausstellungen kuratiert – „in München war ich ja immer nur der Sohn“. Aber dann zog’s ihn doch in die Heimat, wo er Ende der Neunziger mit einem Kompagnon vis-à-vis der Oper die erste eigene Galerie eröffnete.
2009, als Nusser längst mit seiner Frau zusammen gearbeitet hat, gab’s noch einen kurzen Zwischenstopp in Leipzig. Doch mit dem Umzug von Galeristen-Doyenne Six Friedrich von der Steinheil- an die Prinzregentenstraße kam 2010 die Gelegenheit, sich wieder in München und dazu noch im Kunstareal niederzulassen.
„Die Räume einer ehemaligen Schlosserei sind ideal für unser Programm“, sagt Nusser, der sich nach den abnabelungsbedingten Ausflügen ganz zur Stadt bekennt. Und zu deren Künstlern, die etwa 50 Prozent seines Portfolios einnehmen (auch wenn die meisten längst in Berlin leben). Martin Fengel mit seinen Tropfwachs-Skulpturen oder Sfumato-Fotograf Michael Wesely, Benjamin Bergmann oder Sabine Haubitz und Stefanie Zoche sind fast alle im Alter Nussers, aber mit dem knapp 30-jährigen Julius Heinemann oder Tim Wolff, dessen Kombinationen aus Zeichnungen und Videos ab 28. Februar ausgestellt werden, sind auch jüngere Positionen vertreten.
Spüren und hören, was passt
Wichtig sei vielmehr die Haltung der Künstler, der versierte Umgang mit dem Material, das Reflektieren übers Medium selbst, da sind sich Nusser und Baumgart einig. Und es muss auch gefallen können. „Ich will nicht, dass einer jahrelang auf ein Bild schaut und giftet: Den Schmarrn hab’ ich von diesem Nusser!“. Das heißt aber auch: spüren und hören, was passt. Während Baumgart sich um die ökonomische Seite der Galerie kümmert, Texte schreibt, ist Nusser der kommunikative Typ, der auf Messen steht wie zur Zeit im Postpalast (siehe links). Oder beim Kunstwochenende letzten Herbst schon mal den Schiedsrichter spielt. In der Galerie gab’s ein Tischtennisturnier, über das sich manche Kollegen mokierten. Dabei war die Hütte voll und die Sache wirklich witzig. Denn die Sportcracks, die sich schon sicher waren, den Gewinn – der Gipsabguss von Bergmanns Aluminium-Schläger – abzuräumen, wurden von einer Dame nonchalant ausgestochen.
In diesem Metier ist eben alles drin. Ob man sich nun ganz oben im Reich der großen Namen tummelt, im „sehr problematisch gewordenen Mittelfeld“ oder in einer „Nische des unteren Bereichs“, wo es allerdings keinerlei Grund zur Klage gebe, wie Gregor Nusser findet. Bewegung nach oben natürlich nicht ausgeschlossen.
Nusser & Baumgart, Steinheilstraße 18, Tel. 22 18 75, Ausstellung Benjamin Bergmann „Twist and Shout“ bis 31. Januar 2014, Di bis Fr 12 bis 18, Sa bis 16 Uhr, www.nusserbaumgart.com