Die größte Galerie Deutschlands eröffnet im Münchner Westen

Die Leute stehen schon wieder Schlange. Das heißt, auf der Warteliste. Denn für die Eröffnung der König Galerie - man spricht heutzutage vom Grand Opening - waren die 1000 Plätze ratzfatz vergeben. Im neuen Bergson Kunstkraftwerk winken ja auch die Superlative, das zieht. Zumal man Galerieräume, die sich über 1600 Quadratmeter hinweg auf vier Etagen ausbreiten, nicht alle Tage erlebt.
Und das ist bereits der zweite Schlag: Seit Anfang Mai wird in den ehemaligen Kohle-Silos eine atmosphärisch äußerst reizvolle Raumfolge bespielt; die farbstarken Werke der kuwaitischen Künstlerin Monira Al Qadiri waren hier goldrichtig. Beide Bereiche, der Galerie-Anbau des Bergson und die Silos in den Höhen des Hauptgebäudes sowie dessen immenses Atrium ergeben dann auch die sagenhaften 2000 Quadratmeter.

Lange vor der Eröffnung war von Deutschlands größter Galerie die Rede. Ob das nun stimmt, sei dahingestellt. Ambitioniert, man könnte auch sagen, ein bisschen verrückt, ist die Sache bestimmt und eine Herausforderung, bei der selbst erfahrene Galeristen erst einmal in die Knie gehen.
Zum Auftakt bietet Johann König fast 100 Positionen auf
Doch Johann König weiß, was er tut. Der Sohn des Kurators Kasper König - dessen Privatsammlung wird im Herbst beim Kölner Auktionshaus Van Ham versteigert - hat 2002 in Berlin seine erste Galerie gegründet. Mit einem weiteren Stützpunkt an der Spree sowie Dependancen in Seoul, Mexiko-City und jetzt eben München gehört er zu den ernst zu nehmenden Akteuren auf dem Kunstmarkt.

Das zeigen schon die fast 100 Künstlerinnen und Künstler, die zum Auftakt im Neubau vertreten sind. Darunter Isa Genzken und Xenia Hausner, Joana Vasconcelos und Gian Maria Tosatti, die Altherrenriege Anselm Kiefer, Karl Horst Hödicke und Rainer Fetting. Auch der unvermeidliche Flatz ist mit berührenden Aufnahmen aus der Kapuzinergruft in Palermo dabei. Dazu Anna Uddenberg, die bald die "Eccentric"-Schau der Pinakothek der Moderne aufmischen wird, oder Koo Jeong A, die sich für den Koreanischen Pavillon auf der Venedig-Biennale mit den Düften der Großstädte beschäftigte.
Dauerbrenner Identität
In der Ballung hat das etwas von Kraut und Rüben. Auf der anderen Seite gewinnt man einen Eindruck vom Potenzial und den Möglichkeiten - da dürfte es auch Einzelausstellungen geben. Und man tut gut daran, sich auf die Themen der Gruppenschau "Metaphor To Metamorphosis" einzulassen, denn ziemlich frei nach Franz Kafka setzt sich die Präsentation mit den aktuellen Dauerbrennern Identität und Transformation auseinander.

Das beginnt gleich mit einem Personalausweis, der winzig klein neben einem türkischen Teppich hängt. Als Nasan Tur ein neues Exemplar beantragte, ließ er sich einen Schnurrbart wachsen, um dem Klischee des Türken nahezukommen. Interessanterweise wurde er in deutschen Kreisen als eher peinlich und von den Frauen als "unsexy" wahrgenommen, während man ihn in türkischen Cafés freudig mit "Salem aleikum" begrüßte. Ganz zu schweigen von den Komplimenten der türkischen Tanten und Onkel.
Mehr braucht man dazu kaum erläutern, während Marya Kazouns hoch filigrane Arbeit "Long Winter" erst auf den zweiten und dritten Blick von der Verletzlichkeit der menschlichen Existenz erzählt: Die Künstlerin aus Beirut fügt Gebäude von bekannten Orten wie Paris, Venedig oder Berlin zusammen. Alles ist minuziös aus Muranoglas gefertigt, an sich wäre das ein romantisches Großsouvenir, nur sind die Sehenswürdigkeiten zerstört. Nichts ist fix, den Rest darf sich jeder selbst ausmalen.

Es lohnt sich jedenfalls, etwas genauer hinzuschauen, in einigen Fällen würde man gerne ein paar Werke mehr sehen. Joana Vasconcelos' Installationen könnten leicht eine der Etagen und darüber hinaus füllen. Lediglich Jeppe Hein hat diesmal einen umfassenden Auftritt - in der Silo-Galerie und im Atrium, wo mächtige Rundspiegel hängen. Verspiegelte Oberfläche sind im Œuvre Heins sehr präsent, das Reflektieren der Betrachter und genauso der Umgebung, respektive der Welt, vermitteln zugleich ein Gefühl des Dabeiseins und die Möglichkeit zu interagieren. Unbeteiligtes Kunstgucken unterläuft Hein, deshalb ist er gerade auch in Museumsbereichen gefragt, wo man ein junges Publikum ansprechen will.
Wer weiß schon, welche Kreise das Bergson zieht?
Es wird hier sicher Gesprächsstoff geben. So, wie bei Monira Al Qadiri, deren von der Petrochemie inspirierte Arbeiten immerhin 10.000 Besucher gesehen haben - ob nun bewusst geplant oder zufällig, weil man eh schon im Bergson war. In nur zwei Monaten ist das allerdings keine schlechte Quote, danach würden sich manche Großinstitutionen mit weitaus besserer Lage sehnen.
Es bleibt spannend, ist ein blöder Satz. Beim Bergson darf man ihn ausnahmsweise schreiben, denn man kann wirklich nicht wissen, ob die Münchner und die Bewohner des Umlands den zuweilen umständlichen Weg in Kauf nehmen. Bei der Vorbesichtigung der Ausstellung - da war noch Baustelle - mussten zwei Paare auf die Zeit nach der Eröffnung vertröstet werden. Eines aus dem Saarland, das andere aus Würzburg. Ohne Auto angereist. Das Bergson zieht wohl noch ganz andere Kreise
König Munich im Bergson, Am Bergson Kunstkraftwerk 2, täglich von 11 bis 19 Uhr,