Der Gesellschaftsvertrag des Künstlers
Jim Avignons Bilder sind bunt, poppig und subversiv. Mit Aktionen, wie der Übermalung seines Bildes auf der Berliner East Side Gallery, sorgt er für Aufsehen.
AZ: Mr. Avignon, was stand in Ihrem letzten Vertrag?
JIM AVIGNON: Ich lese nie einen Vertrag. Ich vertaue darauf, dass mich mein Gegenüber nicht über’s Ohr haut.
Die Ausstellung heißt „Der Kontrakt des Zeichners“.
Der Titel bezieht sich auf den Film von Peter Greenaway. Die Hauptfigur, ein Zeichner, bildet immer nur das ab, was ihm vors Auge kommt, aber er kann nicht darin lesen. In den Bildern deutet sich sein Tod an, doch das sieht er nicht. Gleichzeitig geht es um einen unausgesprochenen Vertrag zwischen Künstlern und Gesellschaft, der in den letzten Jahren von beiden Seiten nicht mehr eingehalten wird.
Wie sieht dieser Vertrag aus?
Künstler und Gesellschaft brauchen einander. Eine Gesellschaft ohne Künstler müsste untergehen. Umgekehrt braucht der Künstler aber das Feedback der Gesellschaft.
Wie kam es zum Bruch?
Kunst wird immer mehr auf den Aspekt des Materiellen, des Verkaufbaren reduziert. Der Künstler wird an den Preisen bemessen, die er auf Auktionen erziehlen kann. Kunst gilt heute fast als stabilste Anlageform. Letztlich ist das eine Degradierung der Kunst. Immer teurer und exklusiver zu werden, ist ein Relikt aus der Zeit, als es noch Höfe gab, die Künstler beschäftigten. Diese Rolle haben jetzt die Supermillionäre übernommen. Das ist eine nicht an die demokratische Zeit angepasste Vermarktung. Meine Bilder müssen auch anders an die Leute kommen, als nur über den Markt.
Mit einem hohen Ausstoß an Bildern halten Sie den Preis niedrig. Wie finden das die Galeristen?
Die meisten akzeptieren das als eine sehr bewusst von mir gewählte Haltung. Andere haben schon die Sehnsucht, mal richtig gut Kohle damit zu machen. Ich habe in 25 Jahren gelernt, meine Preise (Avignons Bilder kosten in der Galerie Heitsch zwischen 90 und 1800 Euro, Anm. Red.) so einzurichten, dass ich okay davon leben kann, nicht zu reich werde – das tut mir auch nicht gut –, aber auch nicht am Hungertuch nagen muss.
Ihre Wahlheimat Berlin ist „arm aber sexy“. Was läuft in München anders?
In Münchner Galerien muss ich mich nicht an den Markt anpassen, während es in Berlin nur Leute gibt, die sagen: „Find ich gut, kann ich mir aber nicht kaufen.“ Ich müsste dort keine Verkaufsausstellung machen. Stattdessen zeige ich auf Parties meine Sachen. In München sagen die Leute eher: „Das kauf’ ich mir jetzt.“ Man kann mit denen reden und hat das Gefühl, sich zu verstehen. Es gibt aber auch Orte, an denen viel Geld zu haben unangenehm zur Schau gestellt wird. In New-Economy-Zeiten konnten einige mit meiner Kunst nichts anfangen und haben sie gekauft als Ausdruck, Geld wie Heu zu haben. Die bin ich zum Glück los. Jetzt bin ich mit meinem Publikum sehr zufrieden.
Galerie Heitsch, Reichenbachstr. 14, bis 17. Mai 2014