Der Freistaat gibt Raubkunst zurück

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Der Freistaat stand wegen seiner Rückgabepolitik seit Jahren in der Kritik. Im Februar dieses Jahres waren Missstände in den Staatsgemäldesammlungen durch Presseberichte bekanntgeworden. Dabei ging es zunächst vor allem um den Umgang der Sammlung mit möglicher NS-Raubkunst - also Werken, die jüdischen Eigentümern im Nationalsozialismus weggenommen oder unter Zwang abgepresst wurden. Die Prüfung solcher Verdachtsfälle wurde als intransparent und schleppend kritisiert, sogar von Vertuschung war die Rede.
Nun sollen vier Gemälde aus dem Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen restituiert werden. Geplant ist die Rückgabe der Gemälde „Lot und seine Töchter“ sowie „Abraham bewirtet die drei Engel“ von Franz Sigrist dem Älteren an die Erben der ehemaligen Münchner Kunsthandlung Brüder Lion, die 1936 unter den Nationalsozialisten zwangsweise schließen musste.
Die Nachfahren des verfolgten jüdischen Direktors der Commerz- und Disconto-Bank Hannover, Ernst Magnus, sollen das Bild „Hl. Anna Selbdritt“ von einem Schüler von Lucas Cranach dem Älteren bekommen. Magnus hatte es verkauft, um die Flucht seiner Familie zu finanzieren. Auch „Am Wirtshaustisch“ von Ernst Karl Georg Zimmermann wurde als Raubkunst identifiziert. Wer die rechtmäßigen Erben sind, ist nach Angaben der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen noch nicht restlos klar.

Die Restitutionsentscheidungen beruhen auf der Forschung des Referats für Provenienzforschung an der neu gegründeten Staatlichen Museumsagentur Bayern. Sie hatte den Angaben zufolge ergeben, dass es sich bei den vier Bildern um NS-Raubkunst handelt.
Geraubt oder „frei auf dem Markt agiert“?
Für ein fünftes Werk, das Bild „Junges Mädchen mit Strohhut“ von Friedrich von Amerling, soll das neue bundesweit zuständige Schiedsgericht NS-Raubkunst angerufen werden. Das Werk wechselte nach Ansicht der Staatsgemäldesammlungen im Rahmen eines „Tauschgeschäfts“ den Besitzer. Dabei habe die Kunsthandlung „frei auf dem Markt agieren“ können. Sie erhielt demnach 1935 zwei Bilder anstelle einer Bezahlung für den Amerling.
Die Lion-Erben sehen das anders und fordern auch dieses Werk ein. Es sei „eindeutig Raubkunst“, heißt es in einer Mitteilung ihres Anwalts Hannes Hartung. Für ein faires Tauschgeschäft gebe es „keinen einzigen Beleg“. Der Umstand sei den Staatsgemäldesammlungen seit Langem bekannt, dennoch habe das Kunstministerium Fälle wie diesen „mit voller Absicht vertuscht“. Zudem seien die Erben irritiert, dass der Freistaat die Restitution der anderen Werke nicht ihnen direkt, sondern zunächst der Öffentlichkeit bekanntgegeben hatte.

Die Staatsgemäldesammlungen sehen in diesen fünf Fällen hingegen einen „Ausdruck von mehr Transparenz und Tempo bei Provenienzforschung und Restitution“. Anfang April musste der langjährige Generaldirektor Bernhard Maaz gehen, sein Nachfolger ist seitdem der Jurist Anton Biebl - allerdings nur vorübergehend. Der frühere städtische Kulturreferent trat ein diffiziles Erbe an, auch weil er die staatlichen Museen zusätzlich als Change Manager insgesamt voranbringen soll.
Mehr Tempo, mehr Transparenz, mehr Ergebnisse
Das Ziel ist nun, Vertrauen zurückzugewinnen und transparent zu arbeiten, vor allem bei der Debatte um die Rückgabe von NS-Raubkunst. Nach Angaben von Bayerns Kunstminister Markus Blume haben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen seit Februar mehr als 200 Werke in die Datenbank Lost Art eingestellt. Frühere Eigentümer und deren Erben können hier nach geraubten Kunstobjekten suchen, damit sie diese zurückfordern können.

Die Sammlung war zuvor dafür kritisiert worden, viel zu wenige ihrer Werke mit Raubkunst-Verdacht eingestellt zu haben. „Mit der Rückgabe dieser vier Werke können wir das grausame Unrecht an den Eigentümern nicht heilen. Aber wir können damit den Versuch der Wiedergutmachung in Richtung der Opfer unternehmen und ein Zeichen setzen: Wir arbeiten intensiv an der Aufarbeitung des NS-Unrechts - seit diesem Frühjahr mit mehr Tempo, mehr Transparenz und mehr Ergebnissen“, sagte Blume.
„Die Rückgabe der vier Gemälde ist für uns ein weiterer wichtiger Schritt, die Aufarbeitung unserer Sammlungsgeschichte fortzusetzen“, betonte Biebl. „Wir nehmen die Verantwortung für eine gründliche Provenienzforschung sehr ernst.“
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- Markus Blume