Das Münchner Museum mit dem höchsten Ankaufsetat

Treffen sich ein nadelnder Weihnachtsbaum und ein roter Damenschuh im Museum. Nein, das Ensemble steht nicht wie einst die „Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf dem Seziertisch“ für die Schönheit des Surrealismus. Aber was ist es dann? Die Überbleibsel von Aschenputtels Flucht vor der postnatalen Weihnachtsdepression?
Es sind Philippe Parrenos Installation aus lackiertem Edelstahl „Silent Transformation (Anathema)“ und Robert Gobers Plastik „Untitled Shoe“. Zusammen bilden die Bildwerke den Auftakt zu „Confrontations“ im Museum Brandhorst, das jetzt 55 seiner jüngeren Neuerwerbungen in paarweisen Gegenüberstellungen präsentiert.
Kein öffentliches Museum hat heutzutage einen derart hohen Etat wie das Haus, das mit den Erträgen des Stiftungskapitals von Udo und Anette Brandhorst jedes Jahr eine erstaunliche Menge hochpreisiger Kunst kaufen kann. Seit der Eröffnung 2009 sind die Bestände darum auch von 800 auf mehr als 2000 Werke herangewachsen.
Jüngere Meister zwischen den Hausheiligen
Zwischen den Werken der Hausheiligen Twombly und Warhol treten also immer mehr jüngere Meisterinnen und Meister auf. Man trifft auf Konstellationen wie jener mit Warhols großformatigem „Shadows“ und der kleinen, feinen Porträtsilhouette „Miss Rona‘s Hello“ von Kara Walker. Oder das Verkehrte-Welt-Match von Louise Lawlers Foto-Porträt eines Papageis und Wolfgang Tillmans Aufnahme „Lutz und Alex in Bäumen sitzend“. Wenig ist zwingend, aber einiges inspirierend.
Die Entdeckung wert ist das radikale Werk des New Yorkers Pope L. (1955-2023). Einerseits in der Dokumentation der New Yorker Performance „ATM Piece“ von 1997, bei der er, nur mit einem Röckchen aus Dollarscheinen bekleidet, neben einem Cash-Automaten Bargeld verteilte. Andererseits mit der nicht weniger irritierenden Figuren-Assemblage „Ein Gefäß ist ein Gefäß ist ein Gefäß“: Eine Piratin aus Plastik, deren Kopf durch eine Porträtbüste von Martin Luther King ersetzt wurde, aus dessen Schädel nun ganz langsam Schokoladensirup tropft. Rassismus? Klassismus? Sexismus? Alles triefend auf den Punkt gebracht.

Unter dem Titel „Long Story Short“ bieten dann die Räume im Untergeschoss einen chronologisch geordneten Trip durch die Kunstgeschichte seit den 1960er Jahren von der Arte Povera an diversen Reflexionen über Malerei vorbei zur Digitalomanie der 2010er-Dekade: Etwa in Seth Prices hochauflösenden Hautpartien und Wade Guytons flimmernden Digitaldrucken auf Leinwand.
Ein aufgeblasener Kater
Letztere stehen allerdings faktisch am Anfang, weil man ihnen, wenn man die Freitreppe in den riesigen Hauptsaal hinabschreitet, gar nicht entkommen kann. Die Monumentalbilder 2.0 nehmen das Blickfeld ein, so dass daneben schon Großformate von Albert Oehlen und Kerstin Brätsch klein wirken. Und Mark Leckeys auf mehrere Meter Riesen-Comicfigur

in der Ecke ist niedlich, aber konzeptuell eigentlich auch ein bisschen schlicht. Das Katerchen diente 1928 als erstes Testbild-Motiv im US-Fernsehen. Überhaupt sammelt man bei Brandhorsts schon länger medienreferenziell, darum tauchte auch ein winziger Felix bereits im Obergeschoss in einer Zeichnung von Jim Shaw auf.
In den folgenden Räumen schreitet man dann rückwärts in eine Vergangenheit, in der fast jede Idee schon auf den Weg gebracht war. DA ist Marisa Merz‘ Erbsenzähl-Performance von 1967, Richard Tuttles minimalistische Wandelemente, die mit den praktischen Konventionen der Malerei experimentieren oder Jannis Kounellis farblich hinreißende, vollabstrakte „Primavera“-Version.

Die „Black Light Paintings“ von Jacqueline Humphries machen sich die Magie des Lichteffekts zunutze und im Kapitel „Corpus Delirium“ zerlegen Rosemarie Trockel, Franz West und Georg Herold den Körper jeder auf seine Weise in seine (Geschlechts-)Teile. Der Parcours knüpft vielfältige Verbindungen quer durch die Kollektion, formal und inhaltlich. Das bleibt oft vage, regt aber unbedingt dazu an, sich selbst ein Bild zu machen.
bis 27. September 2026, Museum Brandhorst, Di – So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr