„Das Geheimnis von Velázquez“? Aus allem funkelt die Wahrheit

Was für ein verheißungsvoller Einstieg! Erst hört man ihn nur mit seiner markanten Stimme aus dem Off erzählen: dass Diego Velázquez im Alter nichts Konkretes mehr gemalt, sondern nur noch geheimnisvolle Wechselwirkungen erfasst habe. Dass seine Malerei wie eine luftige Welle über die Oberfläche gleite. Und dann sitzt auch schon Jean-Paul Belmondo in der Badewanne - mit einem Buch.
Die Szene stammt aus Jean-Luc Godards „Elf Uhr nachts“. Da liest Belmondo einem kleinen Mädchen aus Élie Faures sehr poetisch verfasster Velázquez-Biografie von 1903 vor. In diesem Band erklärt der Arzt und Kunstschriftsteller seinen Helden Velázquez zum „geheimnisvollsten aller Maler“.

Hofmalerei mit subversiven Details
Für den französischen Regisseur Stéphane Sorlat ist das der Aufhänger. Mit seiner Filmdokumentation will er nichts weniger als „Das Geheimnis des Velázquez“ ergründen. Eine Annäherung ist dieser dritte Teil einer aufwendigen „Prado-Trilogie“ geworden - nach Hieronymus Bosch und Francisco de Goya. Und keine schlechte.

Man gewinnt einen guten Eindruck von der Entwicklung dieses Barockmalers aus dem überbordenden Sevilla, der sehr wohl weglassen konnte, und vom sagenhaften Talent. Sorlat taucht ein in den gedanklichen Kosmos dieses menschenfreundlichen Künstlers, der den Hofmalerjob grandios erfüllt und doch auch subversive Details in seine Werke einbaut: Zum Beispiel ist das Königspaar in „Las Meninas“ („Die Hoffräulein“) winzig klein und entsprechend unscharf in den Hintergrund verfrachtet. Das weckt beim Betrachter den Eindruck, er würde sich dort selbst im Spiegelbild begegnen.
Psychologische Tiefe, auch bei Randfiguren
Der Hofstaat rückt mindestens so sehr ins Blickfeld wie die kindlich zauberhafte Infantin, und man könnte allein über die Meninas einen Film drehen. Von der sogenannten Zwergin kommt man schnell zu den Benachteiligten und Gebrechlichen, zu den Randfiguren, die wir heute, in wohlmeinenden inklusiven Zeiten, etwas zu sehr als solche betrachten.

Velázquez gab ihnen fast mehr psychologische Tiefe als hohen Häuptern, sein Naturalismus ignorierte Hierarchien. Man denke an Velázquez’ Assistenten Juan de Pareja, einen schwarzen Sklaven, dessen Freilassung er betreibt und den er auf seiner Italienreise eindringlich porträtiert.
Was bei Sorlats wie bei vielen dieser Dokus allerdings schnell anstrengend wird, ist die Inflation an Stimmen. Jede Facette muss in einen solchen Film einfließen. Das macht auch diese Unternehmung unübersichtlich, nervös - ausgerechnet bei einem Maler wie Velázquez! - und stellenweise sogar banal.
Dalí ist unfassbar überheblich,
Bacon voller Bewunderung
Umso mehr genießt man Salvador Dalís Überheblichkeit (Velázquez und er seien die Größten, der Typus Schnurrbart der Beweis) und Francis Bacons in astreinem Französisch vorgetragene Bewunderung. Der Ire hat sich wahrlich an Velázquez abgekämpft, vom Porträt des Papstes Innozenz X. gibt es um die 45 Variationen. Der wenig sympathische Kirchenmann traf 1650, beim ersten Blick, auch den Punkt: „Troppo vero“, „zu wahr“.
Kinos in München: Studio Isabella, Neues Maxim, ABC Kinos
R: Stéphane Sorlat (F, 90 Min.)