Auf dem Weg zum Museum 4.0

Bayerns Ausstellungslandschaft ist im Umbruch. Häuser mit gutem Konzept und Bezug zur Gegenwart werden auch in Zukunft ihr Publikum haben
von  Christa Sigg
Eine thailändische Krippe im Hutmuseum Lindenberg, einem der vielen nichtstaatlichen Museen in Bayern.
Eine thailändische Krippe im Hutmuseum Lindenberg, einem der vielen nichtstaatlichen Museen in Bayern. © DHML, Thomas Gretler

Bald 1400 Museen gibt es in Bayern. Das reicht von international beachteten Kunstgalerien wie dem Lenbachhaus bis zum Bulldog-Museum in Straubing-Bogen mit gerade mal 14 Traktoren. An Vielfalt mangelt es nicht im Freistaat, eher wird es zur großen Herausforderung, das alles zu pflegen und oft genug auch: am Leben zu halten. „Bei stagnierenden, wenn nicht gar sinkenden Finanzmitteln“, beobachtet Astrid Pellengahr. Als Leiterin der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen hat sie alles im Blick. Ein Gespräch über neue Chancen für alte Häuser, Klickzahlen, Trends und musealisierten Humor.

AZ: Frau Pellengahr, kann man die Gründung neuer Museen heute noch verantworten?
ASTRID PELLENGAHR: Das hängt davon ab, ob die Finanzierung langfristig gesichert ist und welches Alleinstellungsmerkmal dieses Museum hat. Man braucht im Bayerischen Wald nicht das fünfte Glasmuseum im Umkreis von fünfzig Kilometern. So viele Besucher kann die Region gar nicht generieren, und dieses Beispiel lässt sich auf alle Bereiche übertragen.

Was wäre denn ein Haus mit attraktivem Alleinstellungsmerkmal?
Das Deutsche Hutmuseum in Lindenberg ist so etwas Spezielles. Auch, weil dort die Ortsgeschichte am Beispiel der Hutindustrie miterzählt wird. Damit kann man auch auswärtige Besucher anziehen. Bei manch anderen Themen und Rahmenbedingungen muss man das schon sehr kritisch hinterfragen. Das Geld für eine Museumsgründung bringt man in der Regel zusammen, aber der Katzenjammer setzt dann mit der Eröffnung ein. Deshalb empfehlen wir in der Landesstelle, im Vorfeld äußerst genau zu prüfen, was auf Dauer finanziert werden kann. Vom wissenschaftlichen Personal bis zum Erhalt der Objekte.

Was halten Sie von einer Komischen Pinakothek in München?
Das Forum für Humor und komische Kunst, wie es seit kurzem heißt, hat sich noch einmal konzeptionell verändert und das Thema hat in München absolut seine Berechtigung. Der springende Punkt ist wieder die Frage der Trägerschaft. Denn bei den Kosten für den Betrieb sind wir rasch im hohen sechsstelligen Bereich – je nach Größe des Museums und dem heute so wichtigen Vermittlungsprogramm. Eine digitale Strategie gehört genauso dazu. Ein Trägerverein gerät da sehr schnell an seine finanziellen Grenzen.

Mit der digitalen Strategie ist auch der Auftritt im Netz gemeint. Oft kann man bereits online durch die Sammlung surfen. Wie wirkt sich das auf die Besucherzahlen aus?
Ich denke, wir müssen die Besucherzahlen ganz neu denken. Bislang sind damit diejenigen gemeint, die in die Ausstellung kommen. Das ist richtig und das originale Exponat auch weiterhin wichtig. Untersuchungen zeigen aber, dass der digitale Besuch dazu keine Konkurrenz ist, sondern sogar neue Interessierte zu den Wissensschätzen der Museen finden.

Dann werden Museen bald auch an ihren Klickzahlen gemessen?
Man muss immer fragen, woher der Bedarf nach Kennzahlen kommt. Es ist natürlich eine völlig verkürzte Sicht, wenn man das Museum und seine Potenziale nur an den Besucher- oder Klickzahlen misst. Das wissen Museumsleute sehr genau und hoffentlich auch ihre Träger. Gleichwohl stehen Museen immer unter diesem öffentlichen Druck, gute Zahlen liefern zu müssen. Sozusagen als Rechtfertigung, dass die Institution existieren darf.

Wie wollen Sie das ändern?
Indem wir ein anderes Bild entgegensetzen. Das Museum hat noch viele andere Stärken, nämlich ein Ort der Begegnung zu sein, der das Reflektieren anregt. Das Charmante ist doch, dass da unbeabsichtigtes Lernen stattfindet. Und gerade Museen im ländlichen Raum haben eine ganz wichtige Funktion. Wenn die letzte Wirtschaft am Ort geschlossen hat, kann das Museum ein wichtiger Treffpunkt werden. Und dann ist es nicht mehr entscheidend, ob nun 1000, 5000 oder 10 000 Besucher im Jahr kommen.

Früher waren Stadtmuseen oft Rumpelkammern.
Das Bild vom verstaubten Museum ist aber auch kreiert worden. Immer wenn etwas nicht zeitgemäß erscheint, wird das Museum zitiert. Das ist ein unfairer Vergleich, denn es hat sich in der Museumslandschaft viel verändert. Und wie in allen Bereichen gibt es Institutionen, die ihre Arbeit sehr gut machen, und die anderen. Wir schauen aber vor allem auf die anderen, die immer seltener werden.

Vor allem neu eröffnete Museen ziehen Publikum an.
Die haben einen anderen Standard als die alten. Aber wirklich entscheidend für die Attraktivität ist ein auf lange Sicht didaktisch gut gemachtes, inhaltlich gut durchdachtes Haus. Nehmen Sie das Stadtmuseum in Burghausen, das sich seit ein paar Jahren grundlegend und zielgruppenorientiert neu ausrichtet. Auch in Friedberg oder Deggendorf wird das Stadtmuseum neu konzipiert, genauso steht Erlangen in den nächsten Jahren an. Es tut sich wirklich viel in Bayern. Auch in kleineren Kommunen.

Dafür kommt die Sanierung des Münchner Stadtmuseums kaum voran.
Ja, das ist schade, denn es gehört zu den wichtigsten Stadtmuseen in ganz Deutschland. Das Haus hat sagenhaft gute Sammlungen und ich wundere mich, warum die Münchner darauf nicht ein bisschen stolzer sind. Die Sanierung mit den Möglichkeiten, das Haus im Stadtgefüge neu zu etablieren, bietet viel Potenzial, um all die Herausforderungen, vor denen Museen heute insgesamt stehen, auch zu meistern.

Die Münchner erinnern sich vor allem an die großartigen Ausstellungen vor Jahrzehnten.
Ja, die Wechselausstellungen des Stadtmuseums wurden mal deutschlandweit intensiver wahrgenommen – allerdings in einer Zeit, als das Haus mehr Geld für die Ausstellungsgestaltung hatte.

Auf der anderen Seite gibt es Häuser, die den Betrieb nur durch Ehrenamtliche aufrechterhalten können. Aber die scheinen in den Museen auszusterben.
Das Ehrenamt verändert sich gerade grundlegend. Den ehrenamtlichen Kollegen, der mit 25 anfängt und dann die nächsten 50 Jahre dabeibleibt, wird es so in Zukunft nicht mehr geben. Mit der Tendenz zur Individualisierung nimmt die Bereitschaft ab, sich langfristig an eine Aufgabe zu binden. Aber gleichzeitig sind viele Menschen bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das Potenzial ist also da, wir brauchen allerdings eine neue Form des Ehrenamt-Managements. Denn wir werden es immer mehr mit einem punktuellen, zeitlich begrenzten Engagement zu tun haben.

Was liegt bei den Museen im Trend?
Insgesamt gibt es ein anhaltend großes Interesse an gesellschaftlich relevanten und an historischen Themen. Das spiegelt sich nicht nur in den großen Ausstellungen wider, sondern auch in Fernsehformaten. Außerdem gibt es einen Trend zu naturkundlichen Museen.

Womit hängt das zusammen?
Das sind die klassischen Familienmuseen, die ihr Publikum inzwischen auf sehr intelligente Weise ansprechen. Und gerade in Bayern sind auch die Freilichtmuseen unglaublich beliebt, da man den Besuch schön mit einem Ausflug verbinden kann. Genauso finden archäologische Themen ihr Publikum, wenn sie für Laien interessant aufbereitet sind.

Welche Häuser haben Zukunft?
Ich glaube, das hängt gar nicht so sehr von der Art des Museums ab, sondern von den Aufgaben, die ein Museum für den Ort erfüllen kann. Andernfalls würden wir die kleinen Museen abhängen, das wäre fatal und auch falsch. Denn sie erfüllen im ländlichen Raum wichtige Funktionen. Und ein Museum, das professionell kommuniziert und inhaltlich fundierte Ausstellungen zeigt, wird immer sein Publikum finden.

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