Am Rande der Welt
Selten amüsant, aber oft ziemlich spannend: „Gute Aussichten“ zeigt im Museum Villa Stuck ausgezeichnete Fotografie von Absolventen deutscher Hochschulen
Zwischen wolkenverhangenem Himmel, Gras und Gestrüpp steht eine klapprige Wäschespinne. Auf der liegt ein toter Hase. Irgendwann wird er schon im Magen landen. Sicher sogar. Denn auch das nächste Foto kündet kaum von Wohlstand: Da hängt ein Mädchen im Faltenrock an der selben Spinne die Wäsche auf, während sich’s ein Bub – vermutlich der Bruder – auf dem Kofferraum eines Hängers bequem gemacht hat und einen Keks verdrückt. Die folgenden Bilder strahlen nicht weniger Tristesse aus, selten lächelt jemand in dieser Wohnwagen-Bescheidenheit. Doch wie magisch ist man angezogen von den „Travellers“, dem fahrenden Volk der Iren, das aus der Tradition der Wanderarbeiter und Kesselflicker kommt.
Birte Kaufmann hat mit ihrer durchaus tiefgehenden Außenseiter-Reportage den CNN-Award im Bereich Fotografie abgeräumt. Und nun ist sie – wen wundert’s – mit dieser Arbeit auch in der Villa Stuck vertreten, wo derzeit erstmals die neun Gewinner des Nachwuchsförderungsprojekts „Gute Aussichten – junge deutsche Fotografie“ diverser Hochschulen ausstellen.
Zwischen Salami und Dosenbier
Interessanterweise ist Kaufmann nicht die Einzige, die sich mit Menschen beschäftigt, die am Rande der Gesellschaft ein ziemlich mittelloses bis deprimierendes Dasein fristen. Ob sie nun wie die „Travellers“ nomadengleich in Familienclans durch die Lande ziehen. Aus den ehemaligen Kolonien Portugals stammen und in der Peripherie Lissabons auf Brachland Gemüse anbauen, um ihr karges Mahl aufzubessern (festgehalten von Lioba Keuck). Oder in einer Plattenbausiedlung im Osten Deutschlands zwischen eingeschweißter Salami und Dosenbier in ihren abgewohnten Stuben sitzen. Kinder, Jugendliche, Erwachsene – vom Wandel durch die Wiedervereinigung einfach vergessen. Stecken geblieben in einem alten Aufgehobensein, das immerhin mal schöner Schein war. Damals, als Plattenbauten angesagt und also begehrt waren.
Auch dieser Zyklus von Stephanie Steinkopf – er trägt mit „Manhattan“ einen längst beklemmend ironisch gewordenen Namen, den die Bewohner ihrer Anlage verpasst haben – sticht heraus. Weil er erzählt, fast schon zu dicht, Fragen aufwirft und sehr direkt wirkt.
Im Nachgang blubbert die Crema
Manche andere Arbeit in der Schau kommt dagegen eher kryptisch daher. Marian Luft etwa zettelt eine knallbunte „Revolution“ an, indem er einen Computer mit allerlei analogen Bildern füttert und daraus am Ende wilde – inhaltslose – Polit-Fleckerlteppiche zieht. Parallelen zur Realität sind natürlich rein zufällig.
Gleich im nächsten Raum lässt Alwin Lay eine Espressomaschine in ihrem eigenen Gebräu ertrinken. Derweil blubbern im Nachgang kleine Crema-Inseln auf dem verwässerten Schwarzbraun vor sich hin. Es ist halt nicht alles so, wie wir’s uns ausdenken, schon gar nicht im Bannkreis der „Medical Machines“, die Nadja Bournonville aus Alltagsgegenständen zusammengezwungen und damit albtraumhafte Bildwelten geschaffen hat.
Fern von Klischees arbeitet auch Christina Werner. Ihre Indien-Impressionen bestehen u. a. aus Betonwänden. Überall könnte das sein. Im Sinne der Globalisierung?
Ein bisschen viel Kunstwollen ist zwischendurch im Spiel. Was wenig stört, denn das Spektrum dieser Abschlussarbeiten liefert genug Überraschendes.
Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, bis 9. Juni, Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Katalog 20 Euro
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