Kunst der Verknappung
Der Schauspieler Jörg Hube liest Werke von Autoren des frühen 20. Jahrhunderts – jetzt ist eine sechsteilige Hörbuch-Edition erschienen
In der Zeit vor und zwischen den beiden Weltkriegen entstand bemerkenswerte deutschsprachige Literatur – wenn auch oft nicht in Deutschland selbst. Viele Autoren flüchteten vor den Nazis ins Exil – dort konnten sie ihre Ablehnung des Hitler-Regimes ungehindert äußern.
Das Forum Unterschleißheim veranstaltet mit dem Schauspieler und Kabarettisten Jörg Hube regelmäßig Lesungen bedeutender Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Einer der Höhepunkte war 2003 die Oskar-Maria-Graf-Lesung zusammen mit Gerhard Polt und der Biermösl Blosn. Jetzt erscheint im Münchner O.SKAR Verlag eine sechsteilige Hörbuch-Edition ausgewählter Hube-Lesungen. Die langjährige Kulturarbeit Unterschleißheims in professioneller Qualität soll so dokumentiert und einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.
Alle Texte stammen von Autoren, die im Exil gelebt oder sich damit intensiv befasst haben. „Die Dinge verändern sich zwar stetig, bleiben aber unbewusst im Strom der Zeit. Krieg und Militarismus, Erfolg und Macht, das sind allgegenwärtige Themen“, sagt Hube.
Bei der Wahl der Werke spielte auch der regionale Aspekt eine Rolle. Jörg Hube ist in Bayern aufgewachsen und hat zu den Texten von Oskar Maria Graf einen engen Bezug. Neben dessen Autobiografie „Wir sind Gefangene“ interpretiert er auch Klaus Manns Roman „Mephisto“. Der Schauspieler Hendrik Höfgen (er ist Gustaf Gründgens nachempfunden) macht, protegiert von den Nazi-Mächtigen, Karriere im Dritten Reich. Klaus Mann beschreibt diesen intellektuellen Mitläufer auf allgemeingültige Art. „Im Kern hat sich nichts geändert“, sagt Hube. „Opportunismus ist quasi eine Schlüsselqualifikation des Schauspielerberufes.“
Zur Edition gehören ferner das große Kriegsdrama „Die letzten Tage der Menschheit“ des Österreichers Karl Kraus, Alfred Anderschs Novelle „Der Vater eines Mörders“, Victor Klemperers Tagebuch „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“ und „Tauben im Gras“ von Wolfgang Koeppens.
Der Dramaturg und Autor Tristan Berger hat die Texte bearbeitet und auf jeweils etwa 90 Minuten gekürzt. Die Kunst liegt in der Verknappung“, so Hube. „Die CDs sollen dem Hörer einen intensiven Eindruck dieser faszinierenden Literatur geben.“
Susanne Alder
Hörbuch-Edition „Jörg Hube liest Literatur des 20. Jahrhunderts“, O.SKAR Verlag, 6 CDs, auch einzeln erhältlich, je CD 16.95 Euro