Kultur im wilden Westen: Münchens neues "Gravitationszentrum"

München bekommt ein neues kulturelles "Gravitationszentrum", wie die Betreiber des Bergson versprechen. Zuvor kann man am Marienplatz vorfühlen.
Adrian Prechtel
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Geplant im Berlin der 20er, gebaut in München Anfang der 40er: das ehemalige Heizkraftwerk, jetzt Bergson Kunstkraftwerk.
Geplant im Berlin der 20er, gebaut in München Anfang der 40er: das ehemalige Heizkraftwerk, jetzt Bergson Kunstkraftwerk. © Sigi Müller

Bei Statusfragen geht es oft auch um die "feine Adresse". Und die haben die Tankstellen- und Getränkemarkt-Betreiber Christian und Michael Amberger als kleines Präsent der Stadt München bekommen. Schließlich haben sie das 80 Jahre alte Heizkraftwerk im Niemandsland im Münchner Westen gekauft und mit einer gigantischen Privatinvestition zu einem "Kunstkraftwerk" umgebaut.

Seit Donnerstag prangt das neue Adressschild am Kulturkraftwerk

Sie selbst tauften es nach dem französischen Philosophen Henri-Louis Bergson (1859–1941), dem ersten Präsidenten der "Commission Internationale de la Coopération Intellectuelle" – einem Vorläufer der UNESCO, die in Genf aktiv war für allgemeine Volksbildung, Toleranz und Frieden. Seit Donnerstag, zum Richtfest des Neubaus neben der Ziegelstein-Kulturkathedrale prangt jetzt das neue, offizielle weiß-blaue Adressschild "Am Bergson Kulturkraftwerk". Ansonsten könnte sich die Stadt München noch für dieses aufwertende Großprojekt dankbar zeigen, indem sie den 10-Minuten-Weg von der S-Bahnstation Langwied dorthin ansprechender gestaltet. Nach einer Betonschlucht, geht es eine wilde Treppe durch verwildertes Grün in eine anfangs etwas verwahrloste Kleinhäuslersiedlungs-Straße, bis man vor dem Aha-Erlebnis des Bergson steht.

Die Bauherren und Betreiber: Christian und Michael Amberger beim Enthüllen der neuen Adresse.
Die Bauherren und Betreiber: Christian und Michael Amberger beim Enthüllen der neuen Adresse. © Sigi Müller

Für die Verbindung zum Westkreuz (S8 und S6) oder die S4 (Leienfeldstraße) müsste auch noch etwas ästhetisch Erhebendes gefunden werden, und das neue Viertel Freiham ist direkt vor der Tür. Drei GmbHs werden das neue Bergson betreiben. Neben der Gastro-Firma (vom Edelrestaurant über Bistros, Catering bis zum Biergarten) gibt es noch die Bergson-Pulpo-Gallery-GmbH. Das Murnauer Galeristen-Ehepaar Zeifang wird ab Mai 2024 "Deutschlands größte Galerie" hier führen.

Glasfronten runden den auffälligen Neubau ab

Steht man in den zukünftigen Räumen des Neubaus über drei Etagen, fallen erst einmal die großen Glasfronten an drei Seiten auf. Die lassen eine Bespielung mit klassisch an der Wand hängenden Bildern eher unwahrscheinlich scheinen. Dafür stehen aber noch die ehemaligen Kohlesilos zur Verfügung – fensterlos, dafür eher hoch als breit. Insgesamt: 1800 Quadratmeter. Nico Zeifang erklärt die Möglichkeiten auch mit der derzeitigen Ausstellung im Haupthaus in Murnau. Hier zeigt gerade ein Pionier der Computer- und Roboterkunst – Patrick Tresset – Werke: Dort sitzen dann Roboter wie in einem Klassenzimmer, während eine Roboterlehrerin unterrichtet.

Die dritte Bergson-GmbH wird den Kulturbetrieb durchführen. Der Moderator und Kulturjournalist Maximilian Maier ist Programmleiter, der künstlerische Leiter ist Roman Sladek – Komponist und Bigbandleader der Formation Jazzrausch. Dieses Orchester wird auch Anker des Musikprogramms sein. "Wir wollen, dass klassische Format: hingehen, passiv zuhören, gleich wieder nach Hause fahren hier im Bergson durchbrechen", erklärt er. Die Besucherinnen und Zuschauer sollen früh kommen, bleiben, essen, trinken und mitgehen und das alles im 25 Meter hohen Foyer des alten Kraftwerks, in einem Musik-Club-Raum (nach einer Fledermaus "Barbastelle" genannt) und in einem ganz neuen Konzertsaal für München: dem "Elektra Tonquartier", der bis zu 500 Zuschauer fasst.

Sladek: "Ein Saal für die Hörgewohnheiten und Musik von heute"

Sladek erklärt den hohen, schlanken Saal mit Beton-Kassettendecke so: " Es ist ein Saal für die Hörgewohnheiten und Musik von heute. Die ist elektronisch oder elektronisch verstärkt. Dazu dürfen die Wände – nicht wie bei einem Klassikkonzert – alles reflektieren, sondern müssen dämpfen. Es ist wie in einem großen Tonstudio". An Decke und Wänden sind dazu 80 kleine Lautsprecher und Mikrofone installiert: "Um einen akustischen 3D-Effekt erzielen zu können. Es ist wie in einem modernen Atmos-Kino!"Und wenn doch einmal eine klassische Formation hier auftreten soll? "Dann haben wir die Möglichkeit, dass die Wandreflexion elektronisch simuliert wird – und dann klingt es wieder wie in einem Kammerkonzertsaal". Das alles klingt nach einem gigantischen technischen Aufwand: "Stimmt", sagt Sladek, "aber hier sollen ja auch hochmoderne Tonaufnahmen entstehen können und für Zuhörer alles akustisch möglich sein."

Beim Richtfest des Neubaus konnte man auch den neuen Konzertsaal „Elektra“ anschauen, der einmal bis zu 500 Zuschauer fassen soll.
Beim Richtfest des Neubaus konnte man auch den neuen Konzertsaal „Elektra“ anschauen, der einmal bis zu 500 Zuschauer fassen soll. © Sigi Müller

Die offizielle Eröffnung ist für den 8. Januar geplant. Vielleicht probiert man Silvester schon mal einiges aus. Um bis dahin schon möglichst viele Münchnerinnen und Münchner neugierig gemacht zu haben, hat sich die Bergson-Crew ab übernächster Woche etwas ausgedacht. Eine Art "Schaufenster" auf drei Etagen und 650 Quadratmetern – ganz zentral: im ehemaligen Sporthaus Münzinger am Rathauseck. Das "Bergson – Pop-up". Im Kellergewölbe wird es einen "Digital Club" geben als multimediale Erlebniswelt, aber ganz konkret mit Videos der Musiker und Künstler, die das Bergson ab Januar prägen werden. Auch die Galerie wird zeigen, was sie vorhat und zu Essen gibt es auch schon mal was – in einem kleinen Bistro.  

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