Kuhhandel unterm Milchpilz

Smetanas „Verkaufte Braut” verhakt sich am Gärtnerplatz im deutschen Heimatfilm
Christa Sigg |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Das müssen doch reizende Eltern sein, die ihrer Tochter einen Milchkiosk spendieren. Sozusagen als Existenzgrundlage in heimeliger Fliegenpilzform. Dass sich die Alten dafür jede Mark pumpen, ist dann weniger nett. Erst recht nicht, dass sie ihr Mädchen an den Geldgeber verschachern, obwohl das doch einen andern liebt. Regisseur Peter Baumgardt hat Smetanas kracherten Böhmerwaldschwank in die biedere Kleinbürgerlichkeit der 50er-Jahre gehievt, allerdings mit heutigen Zutaten gespickt. Und damit waren die Brüche dieser „Verkauften Braut” auch schon augenfällig.

Knallbunte Märchenhaftigkeit

Denn was Karohemd-Betulichkeit und Persil-Idylle womöglich persiflieren sollten, ist letztlich auf der grünen Heide versumpft. Und im Schuhgeplattel, für das Gärtnerplatz-Choreografin Fiona Copley ein schmerzliches Faible hegt. Dass Tilmann Unger, der fesche Hans, dann auch noch ausschaut wie eine Mischung aus Rudolf Prack und Tom Cruise nach der Streckbank, ist eh der (Heimat)Clou.

Aber was macht man auch aus einem Kuhhandel, der längst nicht mehr in die Zeit passt, und Texten wie „Welche Gottesgabe ist das Bier, das gute Bier”? In der knallbunten Märchenhaftigkeit, die man am Gärtnerplatz allzu gern zu Gesicht bekommt (Bühne und Kostüme: Stephan Rinke), konzentrierte sich Baumgardt auf die einzelnen Charaktere, tüftelte eifrig an der Personenregie. Marie (Stefanie Kunschke) hat Schmackes – auch stimmlich –, und Hans (muss besonders in den Höhen immer wieder forcieren) mag sich nicht um Psychokram kümmern, was sein Männer-Schweigen so schön erklärt. Maries Eltern (Gary Martin und die auf Dutt-Oma gemachte Ann-Katrin Naidu) sind köstlich skrupulös in den Verhandlungen mit dem schmierigen Kecal samt Fieslingszöpfchen (raumfüllend mit Witz: Derrick Ballard). Das hatte zwischendurch Kammerspielqualität, die mit den subtilen Ansätzen im Graben durchaus einher ging.

Das Orchester rettet diese "Braut"

Und selbst Wenzel (Hans Kittelmann), der als gehemmter Alt-Pennäler mit Geigenkasten ausgerechnet als Knaller Elvis seine Befreiung aus den Mutterklauen feiert, hätte hier seinen Platz gefunden. Nur musste es ja ein Wanderzirkus aus Streetgang-Rappern sein, in dem er mit völlig übersteuerter E-Gitarre die Hüften wackeln lässt. Musste die Lichtregie in sinnfreien Aktionismus verfallen. Und musste der (oft zu laute) Chor geckig die Szene füllen.

Gut, dass wenigstens Kapellmeister Lukas Beikircher diesen komischen Smetana verstand. Und das Orchester schon in der höllisch rasanten Ouvertüre mit tatsächlich transparentem Fugato über sich hinauswuchs. Bestimmt lag’s an den Musikern, dass man sich am Ende nicht vorkam, als hätte man Fliegenpilze geraucht.

Noch am 15., 23. und 26.10, im Nov., Dez., Jan., bis 8.2., Karten unter Tel.21851960

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.