Künstlerentpuppung

Zwischen Chelsea Hotel und CBGB’s: Rockpoetin Patti Smith erzählt in „Just Kids“ von ihrer Zeit mit Robert Mapplethorpe und kommt zur Signierstunde in die Buchhandlung Lehmkuhl
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Zwischen Chelsea Hotel und CBGB’s: Rockpoetin Patti Smith erzählt in „Just Kids“ von ihrer Zeit mit Robert Mapplethorpe und kommt zur Signierstunde in die Buchhandlung Lehmkuhl

„Auf einem schlichten Eisenbett schlief ein Junge. Er war blass und dünn, mit Unmengen dunkler Locken, nacktem Oberkörper und Glasperlen um den Hals. Ich blieb stehen. Er schlug die Augen auf und lächelte.“ Mit „Just Kids“ (Kiepenheuer & Witsch, 304 S., 19.95 Euro) hat Patti Smith ein Erzählversprechen eingelöst, das sie Robert Mapplethorpe gab. „Die Geschichte einer Freundschaft“, heißt ihr Buch im Untertitel. Patti schreibt über Zwei, die Seite an Seite ins Leben geschossen werden.

Das hat kaum etwas gemeinsam mit den gängigen Biografien von Rockstars – hier ist der literarische Zugriff zu spüren, der sich der beiden Leben bemächtigt. So ist „Just Kids“ auch als Entwicklungsroman zu lesen. Im Frühjahr 1967 bringt Patti in Chicago ein Kind zur Welt und gibt es zur Adoption frei. Ihr Leben muss neu erstehen. Mit Rimbauds „Illuminations“ als Reisebegleitung lässt sich Patti aus ihrem verbrauchten Leben in die Schluchten New Yorks fallen – wo Robert auf seinem Eisenbett erwachen und lächeln wird. Gemeinsam stützen sie sich, verliebt und dann als Freunde, bis zum selbstständigen Leben.

Mapplethorpe fotografierte das Cover von "Horses"

Nur ergänzend, im Zeitraffer, geht es in diesem Buch um die Punk-Sänger-Karriere, die mit dem Album „Horses“ begann – das Cover natürlich fotografiert von Mapplethorpe. Thema dieses Buches sind zwei Menschen auf dem Weg durch eine Beziehung zu ihrer Kunst. Patti wird am Ende spüren, dass ihre Lyrik auf die Rockbühne und zu einer Band gehört. Mapplethorpe wird seine Homosexualität erkennen und sich über Teilzeitstrichertätigkeit in Bereiche vortasten, die so nie gezeigt wurden. Patti kann wenig anfangen mit den sadomasochistischen Motiven, aber beide verbindet der Drang, zu schaffen, was vorher noch nicht war.

Das tun sie in der Szenerie einer untergehenden Pop-Epoche. Patti Smith wächst aus den 60ern, trifft den schüchternen Jimi Hendrix auf den Stufen zu dessen Electric Ladyland Studios, tröstet Janis Joplin, beginnt mit Sam Shepard eine Beziehung. Fixpunkt des Lebens ist lange Zeit das Chelsea Hotel, dessen Lobby der Freizeitraum der Kunstszene ist, durch den auch mal Salvador Dali spaziert, wo man darauf wartet von William S. Burroughs abgeholt zu werden. Mapplethorpe dagegen strebt in die Warhol-Clique. Der thront im Max’s Kansas City. Und in seinem Gefolge kreisen Typen wie Candy Darling, Tinkerbelle oder die Velvet Underground um sich selbst.

Aus dem CBGB's wächst die Musik, die die 60er überwindet

Smiths Buch lässt das beeindruckende Personal in wenigen Sätzen durchs Bild marschieren, gerade genug, um eine Lichtstimmung für die Entwicklung von Patti und Robert zu liefern. Denn deren Bühne steht nicht mehr in den 60ern. Patti wird davon profitieren, dass Hilly Kristal mit seinem Bluegrass-Konzept in einem obskuren Laden auf der Bowery baden geht. Aus dem CBGB’s wächst die Musik, die die 60er überwindet.

Ende der 80er sitzen Robert und Patti auf einem Sofa ein letztes Mal nebeneinander. Er schläft mit dem Kopf auf ihrer Schulter ein. Am 9. März 1989 stirbt Mapplethorpe an den Folgen einer Aids-Erkrankung. Neben wenigen Andenken bleibt Patti eine Locke seines Haars.

Christian Jooß

Patti Smith signiert am 24. Juni ab 16 Uhr in der Buchhandlung Lehmkuhl, Leopoldstraße 45

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