Künftiger Hanser-Chef Lendle: Verlag muss nicht neu erfunden werden
Nur noch wenige Monate, dann übernimmt Jo Lendle die Führung des Hanser-Verlages in München.
Der künftige Chef des Münchner Hanser-Verlags, Jo Lendle (45), hat seinen neuen Roman auf den Markt gebracht. In „Was wir Liebe nennen“ erzählt er die Geschichte des Zauberers Lambert, der einen Neustart ins Leben wagt. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa spricht Lendle über Parallelen zwischen sich und seiner Hauptfigur – und seine Zukunft an der Spitze eines der renommiertesten Literaturverlage des Landes.
Sie lassen Ihre Geschichte in Osnabrück beginnen, Ihrer Geburtsstadt – warum denn das?
Als Tribut an meine Heimatstadt, die ich selbst nie richtig gesehen habe. Wir sind wenige Monate nach meiner Geburt schon wieder weggezogen und ich war nie mehr dort – bis ich mit dem letzten Roman zu einer Lesung eingeladen wurde. Da traf ich abends direkt zur Veranstaltung ein und musste vor Tagesanbruch wieder auf den Zug. Ich lief dann nachts durch diese Stadt, mit der mich nur das eigentümliche Wissen verband, dort geboren zu sein. So entstand der erste Satz.
Das heißt, aus diesem Satz entstand die Idee zu Ihrem Roman?
Nein, ich war damals schon dabei, erste Szenen zu schreiben, und dann fiel mir auf: Osnabrück ist der ideale Ort, um sein Leben infrage zu stellen. Es ist so ein Gegensatz-Paar: Montreal in der Neuen Welt und Osnabrück in der Alten Welt, das schien mir eine gute Polarität zu sein.
Ist es Zufall, dass Ihr Buch fast zeitgleich mit dem IhresVorgängers Michael Krüger auf den Markt kommt?
Das ist reiner Zufall. Das war uns wohl beiden nicht bewusst.
Wie finden Sie das?
Ich komme eben aus der Buchhandlung zurück, wo ich mir seinen Gedichtband bestellt habe, und freue mich auf die Lektüre. Es ist wohl unvermeidlich, dass man unsere Bücher nun mit dem Wissen über den anstehenden Wechsel bei Hanser liest. Die Bücher selbst hätten gewiss nichts dagegen, ganz für sich gelesen zu werden.
Sie treten Krügers Nachfolge erst Ende des Jahres an. Wie ist Ihr Kontakt zu Hanser schon jetzt?
Ins Tagesgeschäft mische ich mich natürlich nicht ein, bin aber immer mal wieder zu vorbereitenden Gesprächen dort. Ende August ziehe ich nach München, dann wird sich das langsam intensivieren, dem sehe ich gern entgegen.
Haben Sie Respekt vor der Aufgabe, die da auf Sie zukommt?
Der Begriff Respekt hat im Deutschen eine doppelte Bedeutung. Ich habe allergrößte Hochachtung, weil es ein schöner und wichtiger Verlag ist. Aber Muffensausen habe ich nicht.
Was haben Sie denn mit dem Verlag künftig vor?
Dazu will ich jetzt noch nicht viel sagen. Hanser ist kein Verlag, den man neu erfinden muss. Zu seiner Tradition gehört es, Neuentdeckungen zu machen, mit jedem Programm zu überraschen, das will ich mit Inbrunst tun.
Michael Krüger macht keinen Hehl daraus, dass er mit eBooks nicht sonderlich viel anfangen kann. Wie sehen Sie das?
Im direkten Vergleich halte ich auf jeden Fall lieber ein Buch in der Hand als eine Datei. Aber ich glaube, dass ein Verlag wichtigere Aufgaben hat, als den Kampf zwischen Papier und Bildschirm auszufechten. Essenziell ist es, Autoren zu finden und zu begleiten, essenziell ist das gelungene Buch – in welcher Form es gelesen wird, überlasse ich gern jedem selbst.
Sie sind nicht nur Verleger, sondern auch selbst Schriftsteller. Macht es das leichter?
So verlockend es ist, etwas hineinzugeheimnissen, eigentlich glaube ich nicht, dass das Verlegen vom eigenen Schreiben groß verändert wird. Was sich allerdings nicht verleugnen lässt: Bestimmte Aspekte im Leben der Autoren – die Spannung zwischen Schreiben und Nichtschreiben, die Spannung zwischen der Einsamkeit am Schreibtisch und dem Moment der Veröffentlichung – verstehe ich ohne Worte.
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