Kompetenz aus Arolsen
Kühl, offen, unbelastet: Wie sich die Direktorin fürs NS-Doku-Zentrum in München präsentiert.
Jetzt gibt es nicht nur Pläne und die bereitstehende Finanzierung für rund 30 Millionen Euro, sondern auch eine Gründungsdirektorin: Irmtrud Wojak (45), bislang Mitglied der Geschäftsleitung des International Tracing Service Bad Arolsen, wird ab März Errichtung, Aufbau und Konzeption des Münchner NS-Dokumentationszentrums auf dem Gelände des früheren Braunen Hauses an der Brienner Straße leiten.
Gestern stellte Kulturreferent Hans-Georg Küppers die gebürtige Bochumerin vor und definierte noch einmal die Aufgaben für das in München seit vielen Jahren überfällige Zentrum: Es soll eine Info- und Bildungsstätte zum Thema Nationalsozialismus sein, ein Ausstellungsort und ein „Ort des nationalen und internationalen Diskurses“. Es gehe weiter darum, so Küppers, „Bewusstsein zu entwickeln, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist und jeden Tag neu erkämpft werden muss“. Am Vortag war Wojak vom Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung gewählt worden, die CSU stimmte gegen sie.
Was spricht für Irmtrud Wojak?
Sie hat laut Küppers eine „enorme Fachkompetenz als Wissenschaftlerin“. Außerdem überzeugten ihre internationalen Kontakte; Wojak hat an der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und am Holocaust Memorial Museum in Washington geforscht. Sie selbst sagt, dass sie sich schon seit ihrer Schul- und Studienzeit mit dem Thema beschäftigt habe. Sie wirkt sachlich und zurückhaltend, weist aber gleichzeitig drauf hin, wie sehr es auch ihr „unter die Haut geht“, wenn sie sich mit Biografien von Kriegs- und NS-Opfern befasst. Sie hat außerdem keine Vorgeschichte im Münchner Kulturbetrieb und ist offenbar allen Beteiligten an der komplizierten Vorgeschichte des Doku-Zentrums vermittelbar.
Wie will sie das NS-Doku-Zentrum gestalten?
Hier lässt sie vorerst vieles offen, da es das Gebäude des Zentrums noch nicht gibt und die Arbeit am eigentlichen Konzept jetzt erst beginnt. Sie verspricht eine Ausstellung „auf dem neuesten Stand“ und „viele verschiedene Darstellungsformen“. Die wichtigste Zielgruppe sollen junge Menschen sein, die sie bereits in der Entstehungsphase einbinden und beteiligen will. Die „authentischen Täterorte“ in München sollen „als Portal“ für eine Beschäftigung mit dem Thema dienen.
Wie geht es jetzt weiter?
Der laufende Architekturwettbewerb soll im März entschieden werden. Baubeginn könnte 2011, Betriebsstart im Jahr darauf sein.
Was sind die Probleme?
Bei der langen Auseinandersetzung um bisherige Konzepte sind viele Gräben aufgerissen worden. Wissenschaftler und Interessengruppen befürchten eine „Historisierung“ der NS-Zeit. Wojak sagt dazu, Historisierung sei ein unvermeidlicher Zeitprozess, es dürfe aber dadurch keine Relativierung der NS-Geschichte geben. Aktuell muss Wojak das Wirrwarr der Beratergremien entflechten. Und ihre Ortskenntnis vertiefen: Auf die Frage, ob sie die Bunker und unterirdischen Gänge in der Nähe des Grundstücks einbeziehen wolle, kam gestern ihre Gegenfrage: „Kann man denn da rein?“
Michael Grill