Koch und Liebhaber

Der Schweizer Autor Martin Suter erzählt in seinem neuen Roman von einem Wundermann am Herd, der mit seinen Gerichten Begehren erwecken kann, von dem zuvor niemand ahnte.
von  Abendzeitung

Der Schweizer Autor Martin Suter erzählt in seinem neuen Roman von einem Wundermann am Herd, der mit seinen Gerichten Begehren erwecken kann, von dem zuvor niemand ahnte.

Martin Suter ist ein Mann mit vielen Gesichtern: Ökowinzer auf Ibiza, Kämpfer für soziale Gerechtigkeit in Guatemala, stets untadelig gekleideter Schweizer Großbürgersohn und erfolgreichster Literaturexport seines Landes, dessen Romane auch als Kinostoff begehrt sind (zuletzt „Lila, lila“). Sein Leben aber verfinsterte sich im vergangenen August, als sich Suters Adoptivsohn Toni im Alter von drei Jahren beim Essen an einem Stück Wurst verschluckte und erstickte. Ihm hat er nun seinen neuen Roman „Der Koch“ gewidmet, in dem Suter politisches Bewusstsein und die hohe Kunst der Lebensfreude zusammenrührt.

Es sind schlechte Zeiten für den Zürcher Sternekoch und Restaurantchef Fritz Huwyler, wenn selbst die Stammgäste den Krug Grande Cuvée verschmähen und auf einen nur 120 Franken teuren Chardonnay zurückgreifen müssen. Von diesen Luxussorgen aber ist der Tamile Maravan, eine Hilfskraft in Huwylers Küche, meilenweit entfernt. Die ökonomischen Auswirkungen des Tsunami spülten ihn bis in die Schweiz, jetzt versorgt er die Familie daheim mit seinem geringen Einkommen.

Eigentlich aber steckt Maravan alle seine Kochkollegen in die Tasche, denn er schafft es, mit asiatischen Geheimrezepten ein Begehren zu erwecken, von dem das Gegenüber zuvor gar keine Ahnung hatte. So ergeht es auch der hübschen Servicekraft Andrea, die nach Maravans Menue bei ihm im Bett landet, obwohl sie eigentlich mit Männern sexuell nichts zu tun hat.

Sie erkennt den wahren ökonomischen Reiz des kulinarischen Zaubers und gründet mit Maravan „Love Food“, die illegale Catering-Agentur für den besonderen Anlass. Leider ist Suters Erzählpulver mit dem furiosen Start des Romans diesmal schon weitesgehend verschossen. Das Einstreuen von Weltpolitik, Wirtschaftskrise und dem Bürgerkrieg in Sri Lanka lähmen eher die Dramaturgie, als sie voranzutreiben, der Roman wirkt für Suters Verhältnisse nicht ganz ausgereift. Aber vielleicht ist nicht die Geschichte die Hauptsache des Buches, sondern der Anhang: Suter listet alle Rezepten aus dem Repertoire von „Love Food“ auf, auch so kann womöglich wirkungsmächtige Literatur aussehen.

Volker Isfort

Martin Suter: „Der Koch“ (Diogenes, 312 Seiten, 21.90 Euro)

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