Klarer Blick auf den Kini
Wolfgang Till, Ex-Direktor des Münchner Stadtmuseums, eröffnet den Reigen der Ludwig II.- Memorabilia zu dessen 125. Todestag im nächsten Jahr mit einem ungewöhnlich knackigen Porträt
Die Wahrheit über Ludwig II. wollten schon viele schreiben – und meist wurden doch nur die Legenden um den 1886 im Starnberger See ums Leben gekommenen sogenannten Märchenkönig vermehrt. Insofern ist es eine wirkliche Freude, bei Wolfgang Tills neuem Ludwig-Buch die Wahrheits-Behauptung nur im Untertitel lesen zu müssen.
Der Ex-Direktor des Münchner Stadtmuseums eröffnet den Reigen der Kini-Memorabilia zu dessen 125. Todestag im nächsten Jahr mit einem ungewöhnlich knackig geschriebenen, klarsichtigen Porträt, das geeignet ist, das neue Standardwerk für alle zu werden, die sich in ein, zwei vergnüglichen Lesestunden dem Phänomen Ludwig II. nähern wollen.
Knapp und Frech
Das Büchlein von gerade mal gut 100 Seiten, die noch dazu reich bebildert sind, unterteilt des Königs Wesen und Wirken sinnvoll in 20 Kapitel und steckt voller frecher Anmerkungen, die so süffisant wie treffend sind. Deshalb: Wer in die Tiefen der aktuellen Ludwig-Forschung tauchen will, dem sei weiterhin Heinz Häfners im vergangenen Jahr erschienene Analyse „Ein König wird beseitigt“ (C.H. Beck) empfohlen. Für alle anderen bietet das Werk des Volkskundlers Till – der auch im Stadtmuseum Ludwig immer wieder thematisch streifte (zuletzt 2003 bei „Wagners Welten“) den größeren Spaß.
Wo aber ist nun Tills Standpunkt in der ewigen Ludwig-Debatte? Er sieht den Unvollendeten als hochbegabte Künstlernatur, dem aber Modernes „nicht ins Haus kam“, und der nicht, „wie oft und gerne behauptet wird, das Regieren vernachlässigt“ hat. Richard Wagner und seine Bauten waren die „beiden großen Blöcke“ in seinem Leben. Die Frauen-Frage „steigerte sich für Ludwig zu unangenehmem Sozialstress“. Und Männer? „An die Schmerzgrenze kommen Ludwig-Autoren in aller Regel, wenn es um seine sexuelle Ausrichtung geht.“ Till hat keine Grenze, sondern auch hier einen nüchtern-klaren Blick, mit dem er nach Rosa von Praunheims Slogan „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ die Lage analysiert.
Den vielen Verschwörungstheorien um Ludwigs Ende fügt Till eine humoristische Variante hinzu: Die Aliens von einem anderen Stern waren es! Das sind alles keine neuen Fakten. Aber so schön aufgeschrieben hat man es selten gelesen.
Michael Grill
Wolfgang Till: „Ludwig II. König von Bayern – Mythos und Wahrheit“ (Christian Brandstätter Verlag, 9.90 Euro)
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