Zwei gegen die Bank

Zwei Brüder versuchen sich als Bankräuber: "Hell or High Water" ist eine ambitionierte, nicht immer geglückte Mischung aus Drama und Sozialkritik.
Tobias Sedlmaier |
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Die Texas Ranger Marcus (Jeff Bridges, links) und Alberto (Gil Birmingham) jagen die Bankräuber.
Paramount Pictures Germany GmbH / Lorey Sebastian Die Texas Ranger Marcus (Jeff Bridges, links) und Alberto (Gil Birmingham) jagen die Bankräuber.
Die Schulden stehen bis zum Hals, die familieneigene Farm in Texas ist nach dem Tod der Mutter so gut wie futsch, die Banken machen Druck. Die Brüder Toby (Chris Pine) und Tanner (Ben Foster) sehen sich zum letzten Mittel gezwungen: Eine Serie von Banküberfällen
soll den Besitz sichern. Doch während Toby die Verbrechen vor allem aus pragmatischen Motiven begeht, ist sein Bruder ein überdrehter notorischer Krimineller, der lieber zu hart aufs Gaspedal drückt und schnell den Finger am Abzug hat. Bald heftet sich den beiden ein Texas Ranger (Jeff Bridges
) an die Fersen, der kurz vor der Pensionierung einen letzten Fang wittert. Mit "Hell or High Water" hat sich Regisseur David Mackenzie eines der begehrtesten Drehbücher
der letzten Zeit geschnappt und ein stylisches, stellenweise zu langwieriges Krimidrama mit Western-Elementen daraus gemacht. Die Wendung "Hell or High Water" wird im Englischen immer dann gebraucht, wenn das Wasser wirklich bis zum Hals steht - wenn gar nichts mehr geht, wenn zum Äußersten gegriffen werden muss, weil ohnehin alles verloren scheint. So ergeht es Toby (soeben geschieden) und seinem Bruder Tanner (soeben aus dem Gefängnis entlassen), als sie erfahren, dass die texanische Bank ihre Finger nach ihrer geliebten Farm ausgestreckt hat. Ihre Wut und Energie sind vor allem in den ersten Minuten spürbar: Mit ganzer Entschlossenheit brettern sie in abgehalfterten Autos durch die wüstenbraunen, menschenleeren Hohlgassen texanischer Kleinstädte, überfallen effizient gleich mehrere Banken
unmittelbar hintereinander, die Fluchtvehikel verbaggern sie in Erdlöchern. Das Tempo der ersten Viertelstunde weicht bald einer ruhigeren Gangart und endet schließlich im Leerlauf. Scheinbar mit Bedeutung aufgeladene Einstellungen bekannter Südstaatenkulissen (gedreht wurde allerdings nicht in Texas, sondern in New Mexico) drängen sich auf. Die Brüder vor einem Windrad, an einem Zaun, auf der Veranda, stumm in die Ebene blickend, dazu der stimmungsvolle, unaufdringliche Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis. Ein Filter-Setting, wie man es aus den TV-Serien
"True Detective" oder "Breaking Bad" kennt. Die charakterliche Entwicklung der Brüder, der eine stoisch-anpackend, der andere impulsiv-unberechenbar, verläuft dabei ähnlich geradlinig, wie die implizierte Sozialkritik des Films schlicht ist. "Hell or High Water" nimmt sich dabei die Brechtsche Frage "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" vor und macht sehr deutlich, dass die Sympathien der meisten Leute nicht gerade auf Seiten der Kreditinstitute liegen. Zwar wird das Brüderpaar von der Öffentlichkeit nicht mehr gefeiert wie 80 Jahre zuvor Bonnie und Clyde, doch werden die Überfälle zumindest achselzuckend bis schadenfreudig hingenommen. Selbst die Banken
halten ihre eigene Position für hinreichend sicher und verzichten zumeist auf Videoüberwachung. Wird Gegenwehr geleistet, dann rein aus dem Gestus struktureller Gewalt heraus. Schließlich wird Texas als einer der Bundesstaaten mit der liberalsten Waffengesetzgebung gezeichnet, hier verteidigt noch der letzte Rentner seine Bürgerrechte mit dem Colt. In Übersee hat der Krimi mit Elementen aus Heist-Film, Drama und Western schon jetzt einen kleinen Hype verursacht, wurde als "Indie Hit des Jahres 2016" gelabelt und dürfte sich mit drei Golden-Globe-Nominierungen vielleicht auch im Oscarrennen Chancen ausrechnen. Besonders die Rolle von Jeff Bridges, einem der großen Sympathieträger des amerikanischen Gegenwartskinos, sticht hervor - allerdings in ihrer Ambivalenz: Als Texas Ranger Marcus Hamilton wandelt der Altstar an der Grenze zur Parodie. Zwar lockern seine dahingelallten Nuschelsprüche, mit denen er seinen Partner Alberto (Gil Birmingham) spielerisch wegen seiner indianischen Herkunft aufzieht, und seine Dirty ol' Bastard-Haltung die düstergraue Atmosphäre des Films auf. Sie langweilen aber in ihrer großväterlichen Altbackenheit bald arg. Man kann es schon auch als Kompliment lesen: Noch nie sah Jeff Bridges so alt aus.
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