Wir sind alle Voyeure!

Vicky Krieps brilliert in dieser Komödie: "Das Zimmermädchen Lynn" ist wunderbar psychologisches, anrührendes Kino
von  Margret Köhler

 

Ein guter Rat: Schauen Sie das nächste Mal unters Hotelbett, bevor Sie oben in weichen Kissen sanft entschlummern. Denn in Ingo Haebs Verfilmung nach Markus Ohrts' Erzählung „Das Zimmermädchen“ verfolgt die verhuschte Lynn gerne von „unten“ das (Liebes-)Leben der Gäste, weniger aus Voyeurismus als um Zugang zu fremden Personen zu finden. Die von Neurosen geplagte junge Frau fühlt sich einsam, ihre einzige Obsession ist zwanghaftes Putzen, zwischendurch zieht sie mal fremde Klamotten im Hotelzimmer an oder wühlt in privaten Notizen. Neben der Arbeit sind die Tage fein geordnet, alte Filme schauen, Fitness, Besuche bei der Mutter, Gespräche mit dem Therapeuten. Alles geht seinen Gang bis über ihr auf der Matratze eine SM-Lady dem vor Lust jubelnden Familienvater gegen Bares heftige Hiebe verabreicht. Neugierig und sehnsuchtsvoll knüpft sie Kontakt zur Domina, lässt sich die Beziehung, die keine ist, etwas kosten. Beide profitieren davon. Wie sich die schüchterne Hauptfigur langsam wieder dem Leben zuwendet, auch wenn sie dafür einen emotionalen Preis zahlt, das verfolgt dieses intime und minimalistische Kammerspiel in einem lockeren Spiel mit Distanz und Nähe, schwarz-trockenem Humor und einer fetten Portion Lakonie. Obgleich wenig geschieht, langweilt der Film nicht eine Sekunde, was vor allem an der fantastischen Vicky Krieps liegt, der man die seltsamsten Wünsche und Gefühls-Volten abnimmt und die selbst unspektakuläres Nichtstun noch spannend macht. An ihrer Seite brilliert als Kontrast Lena Lazemis als Call-Girl. Ein superbes Duo.

Kino: Arena, Rio (D, 90 Min.)

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