Kritik

Wir haben alle einen Schaden: "Therapie für Wikinger"

Die schwarze Komödie von Anders Thomas Jensen lohnt sich vor allem wegen Mads Mikkelsen und seinen dänischen Schauspiel-Kollegen und -Kolleginnen
von  Robert Braunmüller
Mads Mikkelsen im Sgt-Pepper-Kostüm bei Proben für die Beatless-Reunnion in „Therapie für Wikinger.
Mads Mikkelsen im Sgt-Pepper-Kostüm bei Proben für die Beatless-Reunnion in „Therapie für Wikinger. © Neue Visionen Filmverleih/Splendid Film/Rolf Konow

Tatsächlich, um die Beatles geht’s auch. Manfred (Mads Mikkelsen) hält sich für John Lennon und möchte auch so genannt werden. Wenn ihn jemand mit seinem alten Namen anspricht, rastet er aus und lässt sich aus einem fahrenden Auto oder einem Fenster fallen. Und nebenbei klaut er auch noch fremde Hunde.

Das Bemerkenswerteste an der dänischen Groteske „Therapie für Wikinger“ ist, wie sich Mikkelsen hier jenseits seiner Bösewichter oder schweigsamen Helden schonungslos neu erfindet: als psychisch Kranker mit unendlich traurigem Gesicht. Auch die anderen Schauspielerinnen und Schauspieler dieses Films - durchwegs Stars des dänischen Theaters, Kinos und Fernsehens - schonen sich bei der Darstellung psychisch, modisch und körperlich derangierter Figuren nicht.

Die Geschichte, die Anders Thomas Jensen hier diesmal erzählt, mixt nicht ganz staubfreie Kino-Konventionen wie den irren Irrenarzt aus der Psychiatriekomödie mit der vor Jahren vergrabenen Beute aus bekannten Heist-Movies. Das Spiel mit bekannten Motiven verläuft in „Therapie für Wikinger“ allerdings deutlich gröber als in Jensens vorigem Film „Helden der Wahrscheinlichkeit“. Für unerwartete Wendungen hat der Regisseur und Autor aber trotzdem reichlich gesorgt.

Niemand ist kaputt, wenn ohnehin alle kaputt sind

Ein weiterer psychisch Kranker mit nahöstlichem Migrationshintergrund und Holocaust-Neurose (Kardo Razzazi) hält sich abwechselnd für Paul McCartney und George Harrison, möchte aber lieber Musik von Abba spielen. Aber das bleibt ein Nebenmotiv. Der Hauptstrang dieser Komödie ist alles andere als lustig: Jensen erzählt die Geschichte eines lange verdrängten familiären Missbrauchs, der drei Geschwister nach langen Jahren einholt und Manfreds psychische Störung ausgelöst hat.

Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Kaas auf der Suche nach der vergrabenen Beute,
Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Kaas auf der Suche nach der vergrabenen Beute, © Rolf Konow

Davon erzählt der Film in Rückblenden, und auf diesen Strang spielt auch die lange rätselhaft bleibende Wikinger-Animation am Beginn des Films mit ihrer Botschaft an, dass niemand kaputt ist, wenn alle kaputt gemacht werden. Die Entstehung dieser Animation ist eine der Schluss-Pointen, mit denen die vielen Motive des Films zuletzt sauber nach dem Dramaturgie-Lehrbuch zusammengeführt werden. Sehenswert ist der Film aber weniger wegen der Geschichte, sondern wegen Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas als seinem Bruder und den beiden Schauspielerinnen Bodil Jørgensen und Sofie Gråbøl, die mit viel Mut zur Hässlichkeit, derangierten Frisuren und schlampigen Outfits agieren.

Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Kaas
Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Kaas © Rolf Konow

Und weil es bei der Münchner Pressevorführung zu Abgängen kam, als nach dem Verlust einiger Finger auch noch eine Hand an Boden angetackert wurde, hier eine Warnung an die Sensiblen unter uns: Ja, der Film ist eine Komödie. Aber die Altersfreigabe von 16 Jahren ist sinnvoll. Denn nordischer Humor ist schwarz, mit einem Zug ins Brutale.

Kinos: Rottmann, Monopol, Maxim, Leopold, R: Anders Thomas Jensen (DK, 116 Min.)

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