So ist der Film, den Trump verbieten möchte

München Gerade hat in New York der Richter im Prozess gegen Donald Trump wegen Schweigegeldzahlungen an einen ehemaligen Pornostar nach andauernden Provokationen und Missachtung des Verfahrensrechts durch die Verteidiger den Saal räumen lassen. Wer in Cannes die Premiere von "The Apprentice" gesehen hat, staunt.
Denn gerade hat er hinter die Kulissen der Methode des verächtlichen Pöbelns und der Einschüchterung von öffentlichen Institutionen geblickt. Und dieses reale, machiavellistische Drehbuch stammt von Roy Cohn, einem politisch rechtsaußen stehenden Rechtsanwalt, Nixon- und Reagan-Berater, Mafiaverteidiger und Mann fürs Grobe - im Film gespielt von Jeremy Strong.
Wenn es am Anfang eines Buches oder Films heißt, die dargestellten Personen seien fiktiv und Ähnlichkeiten mit realen Personen zufällig, so soll das der rechtlichen Absicherung dienen. Ehrlicher ist da oft der Vorspann: "Basiert auf einer wahren Geschichte." Der iranische Regisseur Ali Abbasi spielt dagegen gleich mit offenen Karten: Es geht um die Anfangszeit von Donald Trump (gespielt von Sebastian Stan) in New York und seinen Aufstieg zum Immobilien-, Hotel- und Casino-Milliardär. Und kurz nach der Premiere in Cannes hat der Kampf um den kanadisch-dänisch-irisch produzierten Film bereits begonnen, weil Trump ihn jetzt unter Verschluss bringen will. Er will nicht Mitte der 60er-Jahre als beflissener Azubi und gedemütigter Haustür-Mieteneintreiber in der Immobilienfirma seines autoritären Vaters gesehen werden, nicht als einer, der anfangs auf dem New-Yorker Society-Parkett etwas linkisch umherstolpert - bis ihn Roy Cohen als Mentor in seinen dubiosen, mächtigen Kreis zieht.
Trump ist im Film nicht komplett unsympathisch
Das Interessante: Es entsteht ein Psychogramm Trumps, das gar nicht komplett unsympathisch ist. Der junge Donald ist durchaus charmant, es schaudert ihn sogar vor den Erpressungs- und Einschüchterungsmethoden Roys. Aber er ist fasziniert von der Autorität, der Konsequenz des diabolischen Roy und der damit verbundenen Aussicht auf Einfluss und Macht.
So befreit sich Donald in den kommenden zwanzig Jahren von seinem konservativen Vater, später von dem von ihm eroberten, selbstbewussten Model Ivana, weil er nicht "mit einer Geschäftspartnerin im Bett" sein will - und letztlich auch von Roy. Der hat ihm drei Grundregeln eingebläut: Angreifen, Angreifen, Angreifen. Daneben: Leugnen. Und: Eine Niederlage nie zugeben, sondern den Sieg behaupten. Das ist der amerikanische Traum vom Weg zu "Make America great again!"
Darf "The Apprentice" überhaupt ins Kino kommen?
Der Film endet 1987, wenn es heißen könnte: "The Winner takes it all." Aber wer ist ein Winner? Für Roy ist das von Anfang an klar: Der Killer - ein Haifisch, der alles frisst, was sich ihm in den Weg stellt.
"Wir werden eine Klage einreichen, um gegen die eklatant falschen Behauptungen dieser angeblichen Filmemacher vorzugehen", sagte Trump-Sprecher Steven Cheung dem Branchen-Magazin "Variety". Ali Abbasi, Regisseur des Films reagierte am Dienstag in Cannes sehr gelassen: "Alle reden darüber, dass er viele Leute verklagt hat, aber sie reden nicht über seine Erfolgsquote."
Sollte "The Apprentice" wirklich im juristischen Kampf untergehen, wäre das nicht nur schade für die Kunst- und Meinungsfreiheit, sondern auch um den Diskurs um das Charakterbild eines Mannes, der zum zweiten Mal US-Präsident werden will.
Und wenn Roy, heimlich schwul, 1987 an Aids zu sterben droht, gibt es einen, der den Kontakt zu diesem Mann hält, um den es sehr einsam geworden ist, ihn noch einmal anruft und ihn an den Familientisch in seinem Anwesen in Florida einlädt, um mit ihm Geburtstag zu feiern: Donald Trump. Auch wenn diese Szene wieder einen spannenden charakterlichen Haken hat.
Wie hatte Thierry Frémaux gesagt: Er wolle nicht, dass das Festival politisiert würde, sondern die Filmkunst diskutiert werde - und gegebenenfalls die Politik auf der Leinwand haben und nicht in Pressekonferenzen. Das lässt sich aber im Falle von "The Apprentice" nicht mehr sauber trennen.
David Cronenbergs morbide Geschäftsidee
Da kommt ein Film von David Cronenberg gerade recht: "The Shrouds" (also: Die Leichenhemden) erzählt von einem Mann (Vincent Cassel), der über den Tod seiner Frau nicht hinwegkommt und eine High-Tech-Firma betreibt. Die hat die morbide Geschäftsidee, die Trennung zwischen Toten und Hinterbliebenen dadurch aufzuheben, dass 3-D oder MRT-Kameras die Zersetzung des Leichnams aufnehmen und man ihn live auf Bildschirmen, die in die Grabsteine integriert sind, anzeigen lassen kann - oder zuhause am Laptop.
Diane Kruger spielt in einer Doppelrolle die krebskranke Ehefrau, die immer weiter operativ verstümmelt wird in Rückblenden und deren Schwester, die das Ersatzobjekt der Begierde wird. Das ist alles psychologisch durchaus interessant, auch was unseren Umgang mit Tod und Trennung angeht - bis hin zur Paranoia.
Aber der Film verheddert sich dann in einem Digitalspionage- und Überwachungskrimi. Das merkte wohl auch der 81-jährige Horror-Spezialist Cronenberg selbst. Hacken die Russen oder die Chinesen und wenn ja, wofür? Was haben Ungarn, Ökoaktivisten oder gar der Onkologie-Chirurg der Verstorbenen mit allem zu tun? Da führt Cronenberg seinen Film in mehrdeutige, aber dabei völlig unbefriedigende Aporie, auch wenn "The Shrouds" kein weiterer filmischer Grabstein eines so genannten "alten weißen Mannes" ist.